Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

sie ein anderer. »Das erste Mal? Hab ich recht?«, weiß Erich beim ersten Blick. »Keine Angst, ich erklär euch alles, dann legen wir gleich los.«

    Von gleich kann nicht die Rede sein. Wie eine Ewigkeit kommen sie dem Metzger vor, die wenigen Minuten Wartezeit. Keines der an ihn gerichteten Worte nimmt er auf, zu beunruhigend sind der Hölle Flammen über ihm, zu laut das Zischen, das Donnern, das Flattern.
    Dann ist es so weit, und nichts als Furcht jagt durch seinen Körper. Festgekrallt am Rand des schaukelnden Korbes, vernimmt er das Frohlocken an seiner Seite, sieht er das Strahlen in Danjelas Gesicht und weiß, zumindest sie hat eine Freude, mehr wollte er nicht.
    Aufwärts geht es, kleiner wird der Pritschenwagen, der winkende Petar, die Wiese, der Wald, die Stadt, die Welt. Klein und schön, wunderschön, trotz des unbändigen Lärms.
    Dann wird es still. Nur der Wind saust durch die Taue, nur das Flattern des Ballons ist zu hören, und nichts daran lässt ihn ruhiger werden, den Metzger, denn den größten Ausflug, Höhenflug oder Absturz seines Lebens hat er noch vor sich. Unmittelbar.
    Angsterfüllt greift er in seine Jacketttasche und nickt Erich zu.
    Leise mischt sich zum Rauschen des Windes die Musik aus den Boxen.
    »Volare, oh, oh! Cantare, oh, oh, oh, oh!«, klingt es hinein in den blauen Himmel. Fliegen und singen.
    Danjela erstarrt, ungläubig ist ihr Blick, blass ihr Gesicht, lange sieht sie ihrem Willibald in die Augen, sieht seine Angst, seine Liebe, sieht seine zittrige Hand, die kleine aufgeklappte Schatulle, das silberne Blitzen.
    »Danjela«, beginnt er, brüchig ist seine Stimme, »wenn es in meinem Leben einen Grund gibt, warum jeder morgige Tag, egal, wie bitter er auch sein mag, immer noch ein schöner Tag ist, dann bist das du. Wenn es in meinem Leben eines geben soll, das ich, solange mir der Aufenthalt hier geschenkt ist, an jedem morgigen Tag an meiner Seite wissen will, dann bist das du, wenn …«
    Langsam zieht die Stadt davon, geht es hinaus ins Nichts, dorthin, wo alles offen ist.

Über Thomas Raab
    Thomas Raab, geboren 1970, lebt nach abgeschlossenem Mathematik- und Sportstudium als Schriftsteller, Komponist und Musiker mit seiner Familie in Wien. Zahlreiche literarische und musikalische Nominierungen und Preise, zuletzt »Buchliebling« 2011. Die Kriminalromane rund um den Restaurator Willibald Adrian Metzger zählen zu den erfolgreichsten in Österreich, an deren Verfilmung wird bereits gearbeitet.
    Nähere Informationen zum Autor unter: www.thomasraab.com

Über dieses Buch
    Jesolo, Caorle, Bibione, egal, das Fegefeuer ist ein Meer aus Sonnenschirmen und Goldkettchen auf öliger Haut – zumindest für den Restaurator Willibald Adrian Metzger. Entführt und seinem eigenen Untergang nahe, bekommt er es am Ufer der Adria mit einer Ausgrabung zu tun. Einer dermaßen makabren, versteht sich, da scheinen die alles andere als harmonisch urlaubenden Teutonen und Alpenländer, allen voran ein vorlauter Berliner unbekannter Profession, das geringste Übel zu sein, möchte man meinen. Und weil es höchst ungesund ist, vom Liegestuhl aus Dinge zu beobachten, die einen nichts angehen, wird für den Metzger und seine Danjela aus dem Fegefeuer dann die reinste Hölle.

Impressum
    eBook-Ausgabe 2013
    Knaur eBook
    © 2013 Droemer Verlag
    Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
    Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
    Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
    Coverabbildung: FinePic ® , München
    ISBN 978-3-426-41758-4

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