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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Thomas Raab
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befördert worden. Zwei der Fälle, eine Nieren- und eine Lebertransplantation, so erkennt Schulze beim Durchblättern der Dokumente auf Anhieb, stimmen mit den Namen zweier Herren überein, die hochpreisig Maier’sche Kulturgüter ersteigern haben lassen.
    »Prima, Herr Primar«, erklärt Schulze, »dann würd ich vorschlagen, der werte Herr Kollege Krainer geht jetzt wieder, damit wir allein sind, Sie sehen sich noch einmal den Gesundheitszustand Gustav Eichners an und überlegen sich dabei in aller Ruhe, ob Sie weiterhin schweigen wollen.«
    »Ich will meinen Anwalt sprechen. Das steht mir zu«, ist der zögerliche Versuch einer Auflehnung.
    »Alles, was Ihnen aus meiner Sicht zusteht, Lorenz, sind die Sterbesakramente und ein Beichtvater – und der bin ich!«, die Antwort Josef Krainers.
    In derselben Nacht noch werden Dr. Konrad Maier und seine Frau Maria höchstpersönlich besorgt um sich schlagen und verkünden, ihr krankes Pflegekind sei entführt worden, während Primarius Dr. Lorenz seinem möglicherweise drohenden endgültigen Verstummen ein höchst informatives Redebedürfnis vorzieht.

    So schließt sich nun die Kette der Ereignisse immer mehr zu einem erschütternden Ganzen:
    Unter dem Schein der Ehrenamtlichkeit werden illegale Zuwanderer und Strandhändler von der Allgemeinmedizinerin Dr. Aurelia Cavalli regelmäßig untersucht und behandelt, es wird ihnen Blut entnommen, es werden ihre Werte bestimmt, es werden ihnen auf vertrauensselige Art und Weise ihre Geschichten, ihre Sehnsüchte entlockt, es werden Listen angelegt und an die im Hintergrund arbeitende Organisation weitergegeben. Diese gewährleistet den Kunden die zugesicherte Soforthilfe. Kunden, die aller Voraussicht nach allesamt aus dem Umfeld der elitären Männervereinigung stammen, Angehörige, Vertraute, Geschäftspartner. Soforthilfe, die drei Leitsätzen entspricht:
     
Geld spielt keine Rolle.
Je frischer das Organ, je kürzer der Entnahme- oder Todeszeitpunkt des Spenders zurückliegt, desto besser.
Wer ein Organ und einen Operationstermin benötigt, bekommt beides so schnell und unbürokratisch wie möglich.
    Demzufolge sind lange Anlieferungswege samt Grenzkontrollen keine Option. Dennoch braucht es Personen, die möglichst entwurzelt, möglichst fern der Heimat sind, die also niemand vermisst, die niemand suchen wird, die gerne mitkommen. Diesbezüglich hat sich das Einsatzgebiet Gustav Eichners als Selbstbedienungsladen und wahres Schlaraffenland erwiesen.
    Wird also ein Spender benötigt, reist Gustav Eichner aus Sicherheitsgründen immer in Begleitung eines Zweiten, zumeist eines Fahrers, an die Adriaküste, nimmt zu dem laut der Cavalli-Liste passenden Organträger Kontakt auf, oft reichen dazu nur ein paar Einkäufe direkt am Strand. Dabei zeigt er sich höchst amikal, interessiert und gesprächig, bis ganz von selbst zu erzählen begonnen wird, vom Traum nach einem noch besseren Leben, vom Wunsch, weiter hinauf nach Mitteleuropa vorstoßen zu können. In der Regel taucht dann sogar ganz von selbst die Frage auf, ob es nicht eine Möglichkeit gebe mitzukommen. Zwang ausüben muss Gustav Eichner nie. Schiefgelaufen ist bisher nur einmal etwas: Bei einer Raststation hat es sich ein Senegalese anders überlegt und ist davon: Pepe. Vielleicht aus Zweifel, Angst, vielleicht wusste er aber auch zu viel, ahnte etwas. Der Zufall war hold und hat zu einer neuerlichen Begegnung geführt. Es war leicht, ihn mit dem Argument, ein Hotelgast wolle Kokain kaufen, nächtens ins Kiddyclub-Zelt zu locken, denn jemand wie Pepe, der Unsicherheit unter der möglichen Ware, so wurden die Strandhändler von Gustav Eichner im Gespräch bezeichnet, verbreitet, wäre schlecht fürs Geschäft.
    Im Zielland wird nun der Organträger so lange in einer eigens dafür vorgesehenen Wohnung verwöhnt, bis der Organempfänger im Spital eingetroffen und zur Operation bereit ist. Im Wagen werden die Spender betäubt und merken an sich nie, was mit ihnen geschieht.
    »Und dann, was passiert dann mit ihnen?« Die Antwort auf diese Frage blieben Dr. Lorenz und Gustav Eichner mit den Worten »Unser Part ist nach der Transplantation erledigt« schuldig, und man glaubte es ihnen.
    Was Angela Sahlbruckner betrifft, lernte sie im Vorjahr während eines Adria-Urlaubes mit ihren Eltern und ihrer herzkranken Tochter Emma den Landsmann Gustav Eichner kennen, und man kam sich näher. Als sich im Herbst des Vorjahres Emmas Zustand rapide verschlechterte und ohne
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