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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Thomas Raab
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Es ist die Not des Menschen, seine Verzweiflung, seine Angst, seine Hoffnung, die ihn gefügig werden lässt. Der wichtigste Rohstoff dieses Planeten ist der Mensch und sein Schicksal. Es lässt sich fördern, ausbeuten, unabhängig von den Jahreszeiten, vom Klima, von der Fruchtbarkeit des Landes, von der Zahl der Schädlinge.
    Je substanzieller die Bedrängnis, je größer der Kampf ums Überleben, desto eher sichert diese Bedrängnis denen die Existenz, deren Not oft einzig darin besteht, aus alldem, was es jederzeit zu haben gibt, auswählen zu müssen.
    Eine unfassbare Leere erfüllt den Restaurator, den Schweiß auf der Stirn, die Schwere im Körper, den Blick auf die Schaufenster, die Klarheit vor sich: Die Armut nährt den Wohlstand, es war im alten Rom so, es war im Mittelalter so, es ist heute so. Sie färbt unsere Stoffe, schneidert unsere Kleider, schustert unsere Schuhe, baut unsere Telefone, Autos, Computer, sät und erntet das Futter unserer gebratenen Hühnerbrüste und gebackenen Schnitzel, sät und erntet unseren Kaffee, räumt unsere Straßen, wenn es schneit, schaufelt uns den Weg frei, sie ist verdammt zu einem Dasein als Ersatzteillager, darf auf, aber nicht von unserem Müll leben, und mehr denn je gilt gegenwärtig, in einer Welt, die sich vor dem Menschen kaum noch verbergen kann: Jedes verhungerte Kind ist ein ermordetes.

    Es sind aufreibende Gedanken, die den Restaurator durch die Nacht begleiten, denn wo ist der Ausweg, wie kann er gegensteuern, was kann er tun. Er, der den Wohlstand verkörpert allein durch das Glück, hier leben zu dürfen, der zwar gut über die Runden kommt, aber dessen Mittel selbst beschränkt sind, der akribisch nachrechnet und sieht, wie alles teurer wird, der demzufolge selbst sparsam sein muss und Teil des Kreislaufes ist. Ein Kreislauf, der jedem Endabnehmer zwangsweise das Brandmal des Mittäters verpasst.
    Dann hat er seinen unzählige Menschenleben überdauernden Einkauf, der Metzger, alles verpackt in zwei Plastiksäcken, gefüllt mit in Plastik verschweißten, in 300 Jahren noch nicht verrotteten Kunststoffwindeln, Plastikflaschen mit Gummiaufsatz, Plastikschnuller mit Gumminuckel, ein in Stanniol eingeschweißtes und mit Plastik verschlossenes Milchpulver, sogar ein freundliches, verschlafenes: »Bis auf die Windelgröße klingt Ihr Einkauf nach Hausgeburt?« wird ihm zuteil.
    »Da haben Sie in gewisser Weise sogar recht«, ist seine Antwort.

    Darya trinkt unersättlich. Zwar des Hörens, aber noch nicht des Verstehens mächtig, betrachtet sie dabei ihre Umgebung. Mit großen Augen und klarem Blick mustert sie das auf sie liebevoll herabblickende Gesicht, und lange wird es nicht dauern, bis sie darin ihr Zuhause findet.
    Wären Willibald Adrian Metzger und Petar Wollnar Angela Sahlbruckner von der Gemeindebau-Praxis des Dr. Lorenz nicht zur Maiervilla gefolgt, hätte der Metzger in Gegenwart Heinzjürgen Schulzes das Fehlen der Kleinen in Angelas Wagen nicht bemerkt, wäre der heutige, in einigen Stunden anbrechende Tag für die zukünftige Darya Poppe der letzte gewesen.

    So geht eine lange Nacht zu Ende, und sie bewahrt ihr Geheimnis. Nichts wird an die Öffentlichkeit dringen, außer, dass zwei Unbekannte das Pflegekind des Dr. Konrad Maier aus einem Spital entführt haben, während der fehlende zweite Einbrecher des Maiermuseums gestellt wurde.

Nichts
    »Der Weg ist das Ziel!«, hat seine Mutter immer gesagt, mittlerweile weiß der Metzger: So schön das zugegeben auch klingt, so wunderbar sich das alles hineinschreiben lässt in Stamm-, Freundschafts- und was für Büchlein auch immer: Ein Schmarrn ist es trotzdem. Nicht der Weg ist das Ziel, Mittelweg muss es heißen.
    Da braucht man noch nicht einmal auf zwei Beinen stehen können, kapiert selbst ein Einjähriger recht rasch: Dort darf ich hinkrabbeln und dort nicht, und wenn ich den Inhalt der Flasche in mich hineinschütte, wird die Mama eine Freude haben, und wenn ich den Inhalt der Flasche, was mir eigentlich viel mehr Spaß machen würde, meiner Mama über den Kopf schütte, wird sie keine Freude haben, so einfach ist das. Also trinken und maximal mit der Flasche auf den Tisch dreschen, das ist der Plan. Das Leben ist ein einziger Mittelweg, eine Abfolge von Übereinkünften, Schlichtungsverfahren, Geschäften.
    »Gehe ich aber so was von sicher mit dir auf Krainerparty!«, verkündet Danjela also vollmundig. Wobei sich dieses »aber so was von sicher« natürlich dermaßen nach
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