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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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als der Durchbruch der vielköpfigen Masse ehemals Erniedrigter und Beleidigter in das gelobte Märchenland Dair poetisch verklärt. Der Schriftsteller wollte so in die "Dämmerung der Geschichte" hineinleuchten, in "den roten Widerspruch, der über Abgründen hing und der, aus schwarzen Träumen entstanden, sich bis in die künftigen Jahrhunderte hinzieht". "War es wie ein aus Leben und Träumen gewobener Tag?" fragt der Erzähler und antwortet selbst: "Der Lärm der Menschen, die über die wilde Erde hin einem aus dem Dunkeln hervorbrechenden Paradies entgegenwanderten — das war die Weltwahrheit." Alexander Woronski schrieb dazu 1923 zukunftsgewiß: "Gibt es in diesen Illusionen im Endresultat Unwahrheit, Lüge? Oder scheinen diese Träume nur denen als Lüge und Unwahrheit, die nicht verstehen, nicht fähig sind, die Dynamik der Epoche, die Musik der Zeitalter, die prophetischen Bewegungen der Jahr- hunderte zu erkennen und zu fühlen? Denn Jahre vergehen, und die yon der vielköpfigen Masse geschaffene Legende wird sich verwirklichen, wird Fleisch und Blut, wird Realität. ,Und also geschehe es.'" Die weitere geschichtliche Entwicklung hat das bestätigt. Und so geschah es auch mit der "zu erschaffenden Legende" Bulgakows. Gewiß, heutige Pilatusse schlafen gut und haben selten Gewissensbisse. Aber hier geht es ja nicht um Einzelpersonen, sondern um das in Bulgakows Pilatusg'estalt verkörperte historische Prinzip, das auf die "schwerste Sünde", die Feigheit, baut. Die auf Iwan Ponyrew — wenn wir ihn als Typ objektivieren — folgende Generation proletarischer Schriftsteller hat sich die Weltkultur, das "ewige Haus" der Menschheit, in einem Maße angeeignet und eignet sie sich weiter an, wie Bulgakow kaum zu hoffen gewagt hatte. Und Bulgakows Werk selbst ist dank der weiteren Entfaltung der sozialistischen Gesellschaft und Literatur tatsächlich in dieses "ewige Haus" eingegangen. 1966/67 erschien in dem literarischen Journal "Moskwa" die erste, die Zeitschriftenausgabe des Romans. Seitdem wurde "Der Meister und Margarita" in vielen Weltsprachen wiederholt herausgegeben. Und 1973 erschien in dem Moskauer Verlag für Künstlerische Literatur die erste vollständige Originalausgabe von Bulgakows großem Nachlaßwerk, die auch unserer neuen Ausgabe zugrunde liegt. Eine künstlerische Neuerung war jedoch in "Meister und Margarita" die Art der poetischen "Zeitvermischung", die wechselseitige Spiegelung und Erschließung der parallelen Gestalten und Motive in den drei Handlungsebenen des Romans. Darin offenbarte sich das die ganze Menschheitsgeschichte umfassende polyphone künstlerische Denken des sowjetischen Schriftstellers, der aus der unmittelbaren und vorurteilsfreien neuen Analyse von Gegenwart und Vergangenheit die Wege in die Zukunft erhellt. Inzwischen hat die jüngste Sowjetliteratur diese künstlerische Seh- und Gestältungsweise wesentlich weiter entwickelt und verbreitert. Das bezeugt nicht nur das Beispiel von Aitmatows "Weißem Dampfer". Zugleich zeigt das Beispiel Aitmatows, daß das Erbe Bulgakows nur fruchtbar werden kann, wenn es kritisch auf Grund der heutigen Erfahrungen und Bedürfnisse angeeignet wird. Auch im Falle Bulgakow gilt also, was Tynjanow einmal in bezug auf die Wirksamkeit literarischer Traditionen verallgemeinert hat: "Die Schüler haben das Auftreten des Lehrers vorbereitet."
    Bulgakows Dichtung, die die Zeit- und Weltgeschichte erforscht, wurde Geschichte. Zu Recht konnte Wladimir Lakschin auf der Festveranstaltung des Sowjetischen Schriftstellerverbandes zum achtzigsten Geburtstag Bulgakows 1971 feststellen: "Wir hätten wahrscheinlich in Bulgakow nicht einen so großen Künstler vor uns, würde sich sein ganzes Anliegen auf eine scharfe und genaue Wiedergabe des momentanen Lebens beschränken, würde hinter den Bildern der Stadt,- des Hauses, der Straße in den gewohnten drei Dimensionen nicht die prophetische und bedeutendere vierte Dimension der Kunst zutage treten. Die Stücke und Bücher Bulgakows, von den Leidenschaften und Farben der Woche, des Tages, des Augenblicks gespeist, erschöpfen sich nicht damit. Wie jede hohe Literatur sind sie, ohne die kurzfristigen und kurzlebigen Ziele und Interessen außer acht zu lassen, in erster Linie auf dauerhafte und grundlegende Eigenschaften und Neigungen der menschlichen Seele gerichtet."
    Ralf Schröder
    Leipzig, September 1974
    1   Eine Zusammenstellung der wichtigsten Äußerungen Gorkis über Bulgakow findet der Leser in
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