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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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Entwicklung der Menschheit geschaffenen Kultur, nur durch ihre Umarbeitung eine proletarische Kultur aufgebaut werden kann — ohne eine solche Einsicht werden wir diese Aufgabe nicht lösen. Die proletarische Kultur fällt nicht vom Himmel, sie ist nicht eine Erfindung von Leuten, die sich als Fachleute für proletarische Kultur bezeichnen. Das ist alles kompletter Unsinn. Die proletarische Kultur muß die gesetzmäßige Weiterentwicklung jener Summe von Kenntnissen sein, die die Menschheit sich unter dem Joch der kapitalistischen Gesellschaft, der Gutsbesitzergesellschaft, der Beamtengesellschaft erarbeitet hat. Alle diese Wege und Pfade führten und führen und werden weiter zur proletarischen Kultur führen ... Ein Kommunist, dem es einfiele, sich mit dem Kommunismus zu brüsten, auf Grund der ihm übermittelten fertigen Schlußfolgerung, ohne selbst eine sehr ernste, mühsame, große Arbeit zu leisten, ohne sich in den Tatsachen zurechtzufinden, denen gegenüber er verpflichtet ist, sich kritisch zu verhalten — ein solcher Kommunist wäre eine höchst traurige Gestalt. Eine solche Oberflächlichkeit wäre entschieden verderblich. Wenn ich weiß, daß ich wenig weiß, so werde ich erreichen, daß ich mehr weiß . . ." Die Grundaussage des Romans, an dem Bulgakow bis zu seinem Tode am 10. März 1940 gearbeitet hat, korrespondiert also mit der Leninschen Idee. Aber während Iwan Ponyrew sich — nicht zuletzt dank dem Vorbild des Meisters — von Berlioz befreit und den realen Weg in die Zukunft zu beschreiten beginnt, wurde der Meister selbst ein Opfer der "Fachleute für proletarische Kultur." Das lag jedoch nicht allein daran, daß die Berlioz' und Latunskis Ende der zwanziger Jahre innerhalb der RAPP, der Russischen Assoziation Proletarischer Schriftsteller, allmächtig wurden, sondern auch an der besonderen Position des Meisters, in der Bulgakow, wie gesagt, eigene Erfahrungen und Gedanken der damaligen Zeit künstlerisch frei gestaltet und selbstkritisch verallgemeinert hat.
    Leopold Awerbach (1903—1939), der Generalsekretär der RAPP, ist in vieler Hinsicht ein Prototyp der Gestalt des Berlioz. Ende der zwanziger Jahre versuchte er, sich zum Diktator der literarischen Öffentlichkeit aufzuschwingen. Innerhalb der RAPP entwickelte sich ein Awerbach-Kult. Und in dieser Atmosphäre entfalteten die Sektierer der RAPP eine von gehässigen politischen Verunglimpfungen begleitete Kampagne gegen fast alle Schriftsteller, die nicht der RAPP angehörten und anders schrieben, als es Awerbach vorschwebte. Bulgakow war nur eine Zielscheibe dieser Kampagne. Selbst Gorki und Majakowski standen im Brennpunkt der RAPP-Kritik. Das Sektierertum der RAPP wurde schließlich zu einem Hemmnis für die weitere Entwicklung der Sowjetliteratur, so daß die Partei, die 1925 den schöpferischen Wettbewerb aller literarischen Richtungen, Schulen und Gruppen empfohlen hatte, 1932 die Auflösung der übermächtig gewordenen RAPP beschloß. Gorki hatte bereits am 13. November 1928 an Awerbach geschrieben: "Ich verstehe, daß ,das Geradebiegen der ideologischen Linie' — womit Sie sich befassen — ganz notwendig, daß dies eine Aufgabe ,der Strategie', des Kampfes ist. Aber mir scheint, daß Sie es zu eilig haben, ,ein Fachmann' zu werden. Daß in Ihrer Atmosphäre, auf dem Boden dieser Hast, unmerklich für Sie selbst ein professioneller Individualismus heranwächst und daß Ihre auf literarischen Gruppen basierende Meinungsverschiedenheiten sich zerstörerisch auf die Beziehungen zwischen den Genossen auswirken."
    Worauf es damals literaturpolitisch ankam und was auch Gorkis Ziel bei der Auflösung der RAPP und der Schaffung des einheitlichen sowjetischen Schriftstellerverbandes 1934 war, hatte Glad-kow in einem Brief an den Begründer des sozialistischen Realismus vom 20.Januar 1926 unmißverständlich ausgesprochen: "Bei der Veränderung der Formen des Klassenkampfes gibt es (in der Sowjetliteratur — R. S.) weder eine bürgerliche noch eine rein proletarische Literatur. Es gibt eine revolutionäre Literatur, innerhalb der sich eine intensive molekulare schöpferische Arbeit vollzieht, ein unaufhörlicher Prozeß schöpferischer Wechselbeziehungen und des Wettbewerbs vor sich geht, ein neuer Schriftsteller geschaffen wird, der neue schöpferische Wege sucht. Das muß man schließlich anerkennen und laut aussprechen. Aber das Unglück besteht darin, daß unserer Literatur eine gute, talentierte erzieherisch-leitende Kritik fehlt.
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