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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
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Herrn.«
    Padre Sebbo und Jona wechselten einen Blick, denn beide wußten sie, daß es nun nicht mehr lange dauern würde, bis der steinerne Sarg in die Erde gesenkt würde.
    »Wir müssen der Dienerschaft und den Soldaten das Hinscheiden ihres Herrn und Meisters verkünden und mit ihnen im Burghof eine Gedenkmesse feiern«, sagte Padre Sebbo zu Padre Guzmán.
    Guzmán runzelte die Stirn. »Glaubt Ihr wirklich? Es gibt so viel, das jetzt getan werden muß.«
    »Dies sollte zuerst geschehen«, erwiderte der ältere Priester entschieden. »Ich werde Euch ministrieren, aber Ihr müßt die Ansprache nach der Messe halten, denn Ihr seid ein viel besserer Redner als ich.«
    »Ach, das stimmt nicht«, erwiderte Padre Guzmán bescheiden, aber er war offensichtlich geschmeichelt und deshalb gerne bereit, die Ansprache zu halten.
    »Unterdessen«, fuhr Padre Sebastian fort, »muß der Arzt den Verstorbenen waschen und für das Begräbnis vorbereiten«, und Jona nickte.
    Er richtete es so ein, daß er mit dieser Aufgabe erst fertig war, als er vom Burghof den Beginn der Messe hören konnte. Kaum drangen der Baß Padre Sebastians und Padre Guzmáns höheres Singen sowie die volltönenden Erwiderungen der Gläubigen zu ihm herauf, eilte er in den Lagerraum.
    Mit einer chirurgischen Sonde kratzte er den Mörtel vom Rand der Spruchplatte auf dem Sarg weg. Es war eine Verwendung, die Manuel Fierro kaum im Sinn gehabt haben dürfte, als er das Instrument anfertigte, aber es eignete sich vorzüglich. Jona hatte bereits den Mörtel von zwei Seiten der Platte entfernt, als er hinter sich eine Stimme hörte.
    »Was treibt Ihr hier, Heiler?«
    Daniel Tapias Augen waren auf die Spruchplatte gerichtet, als er den Raum betrat.
    »Ich sorge dafür, daß alles in Ordnung ist.«
    »Aber natürlich«, erwiderte Tapia. »Ihr glaubt also, daß da was drin ist? Ich hoffe, Ihr habt recht.«
    Er zog seinen Dolch aus der Scheide und ging auf Jona zu.
    Jona sah sofort, daß Tapia nichts daran lag, Alarm zu schlagen und die Soldaten herbeizurufen, denn er hatte es selbst auf die Diebesbeute abgesehen. Er war so groß wie Jona und viel schwerer; offensichtlich war er überzeugt, daß er es mit seinem Messer allemal mit diesem unbewaffneten Arzt aufnehmen konnte. Jona täuschte einen Hieb mit seiner winzigen Sonde an und sprang zur Seite, als das Messer in weitem Bogen, der ihm den Bauch hätte aufschlitzen sollen, auf ihn zugesaust kam.
    Er hatte Glück: Die Klinge verpaßte ihn um Tuchesbreite. Die Spitze traf das Gewebe seines Gewandes und riß es auf, blieb dabei aber kurz hängen, so daß Jona den Arm hinter dem Messer zu fassen bekam.
    Er riß daran, mehr unbewußt als mit Absicht, und Tapia verlor das Gleichgewicht und fiel über den offenen Sarg. Er war sehr schnell für einen so kräftigen Mann und hatte noch immer das Messer in der Hand, aber Jona griff unwillkürlich nach dem Sargdeckel, der an der Wand lehnte. Er war so schwer, daß er seine ganze Kraft aufbieten mußte, um ihn zu bewegen, doch kaum hatte die Oberkante sich von der Wand gelöst, trug das Eigengewicht ihn weiter. Tapia rappelte sich schon wieder hoch, doch der mächtige Deckel kam auf ihn herabgesaust wie eine Falle auf ein Tier. Sein Körper dämpfte das Geräusch, statt des Krachens von Stein auf Stein war nur ein dumpfer Schlag zu hören.
    Trotzdem war das häßliche Geräusch laut genug, und Jona erstarrte und lauschte. Doch die im Gebet erhobenen Stimmen der Trauergemeinde sangen ohne Unterbrechung weiter.
    Tapias Hand hielt noch immer das Messer umklammert, und Jona mußte es ihm entwinden. Behutsam hob er den Steindeckel an, doch die Vorsicht war unnötig.
    »Tapia?«
    Der Mann atmete nicht. »O nein, verdammt.« Jona sah, daß das Rückgrat gebrochen und Tapia tot war.
    Doch für Bedauern blieb ihm keine Zeit. Er trug Tapia in die Kammer neben der seinen und legte ihn aufs Bett. Dann zog er ihm die Oberkleidung aus und schloß ihm die Augen. Im Hinausgehen zog er die Tür hinter sich zu.
    Als er nun in den Lagerraum zurückkehrte, mußte er sich sehr beeilen, denn von draußen konnte er hören, daß die Messe vorüber war und Padre Guzmáns näselnde Stimme zu Fernán Vascas schmeichlerischem Nachruf ansetzte.
    Als er die letzte Schicht Mörtel entfernt hatte, hob er die Platte ab und entdeckte darunter einen Hohlraum.
    Beklommen griff er hinein und ertastete ein Nest aus Lumpen. In diesem Nest lag wie ein großes und kostbares Ei ein in feines Leinen gewickelter
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