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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa
Autoren: Noah Gordon
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Erinnerung an die Arbeit seines Vaters nicht falsch gewesen war.
    In einem Kellergelaß voller staubiger Bilderrahmen und kaputter Stühle entdeckte er auf einem Regal eine Doppelreihe schwerer, dunkler Trinkgefäße.
    Als er mit einem davon zu einem Fenster ging, sah er, daß es ein von seinem Vater angefertigter Kelch war. Daran bestand kein Zweifel. Zwar war das Gefäß fast schwarz, weil sich das Silber in Jahren der Vernachlässigung stark beschlagen hatte, aber als er es umdrehte, war das HT auf dem Sockel deutlich zu erkennen.
    Von seinem Vater eigenhändig dort eingeprägt.
    Mit jedem Kelch ging er einzeln ans Fenster. Es waren schlichte, schwere Kelche, wunderschön aus massivem Silber gearbeitet, mit Sockeln aus Elektrum. Zwei der Kelche waren stark zerbeult und zerkratzt, als hätte jemand sie im Zorn von sich geschleudert. Er erinnerte sich, daß der Graf seinem Vater den Preis für zwölf Trinkgefäße schuldete, doch obwohl er das Gelaß aufs sorgfältigste durchsuchte, Stühle und Rahmen verrückte und alle dunklen Ecken abtastete, fanden sich nur zehn Kelche.
    In den nächsten beiden Tagen ging er wieder in das Kellergelaß und nahm die Kelche vom Regal, einfach um sie in der Hand zu wiegen und sich an ihrer Gediegenheit zu erfreuen. Doch als er am dritten Tag in den Keller ging, fand er dort Daniel Tapia, der offensichtlich ebenfalls am Suchen war. Gegenstände aus dem Gelaß lagen auf dem Boden verstreut.
    Tapia starrte Jona an. »Was wollt Ihr?«
    »Ich will nichts, Señor«, sagte Jona leichthin. »Ich bewundere nur die Schönheit der Burg, so daß ich sie eines Tages meinen Kindern beschreiben kann.«
    »Wird der Graf sterben?«
    »Ich glaube schon, Señor.«
    »Wann?«
    Jona zuckte die Achseln und sah ihn ruhig an. Er hatte keinen Beweis dafür, daß Tapia an der Schändung seines Bruders beteiligt gewesen war, aber sein Gefühl sagte ihm, daß es so war. »Euer Name wurde mir von einem früheren Gefährten von Euch genannt, Señor Tapia. Fray Lorenzo de Bonestruca.«
    »Der? Ich habe Bonestruca seit Jahren nicht gesehen. Er ist nach Saragossa gegangen.«
    »Dort habe ich ihn getroffen.«
    Tapia runzelte die Stirn. »Was hat er über mich erzählt?«
    »Nur, daß Ihr gelegentlich mit ihm ausgeritten seid und daß sich mit Euch gut zechen ließ. Es war nur eine kurze Bemerkung, während eines Damespiels.«
    »Dann hat der Hurensohn bestimmt auch gesagt, wie sehr ich Damespielen hasse. Er hängt also immer noch diesem lächerlichen Zeitvertreib nach?«
    »Nein, Señor. Er ist tot. Fray Bonestruca verlor den Verstand und brachte zwei Jahre im Tollhaus von Saragossa zu, wo er an einer Seuche starb, die dessen Insassen heimsuchte.«
    Tapia verzog das Gesicht und bekreuzigte sich.
    Trotzdem klang seine Stimme wachsam, als er Jona fragte, ob er wegen der Unterhaltung mit Bonestruca beschlossen habe, nach Tembleque zu kommen.
    »Nein. Die Diözese bat mich, zu kommen und zu sehen, ob ich dem Grafen helfen könne... Jüngst mußte ich aber die Frau des Grafen Vasca behandeln.« Seit ihrer Hochzeit hatte Adriana ihm viel von den Mißhandlungen erzählt, die sie von ihrem ersten Gatten erlitten hatte. Im Lauf der Zeit hatte er gesehen, wie der Schmerz aus dem Blick seiner Frau wich, aber er konnte den Gedanken nicht ertragen, daß Männer Frauen schlugen. »Ich hoffe, die Condesa wird keine weiteren Verletzungen erleiden.«
    Tapia sah Jona verblüfft an, als könne er nicht glauben, daß der Arzt sich die Freiheit herausnahm, so mit ihm zu reden.
    »Verletzungen kommen vor, niemand ist dagegen gefeit«, sagte er. »Zum Beispiel würde ich an Eurer Stelle nicht ohne Begleitung durch die Burg wandern; es könnte ja sein, daß jemand Euch für einen Dieb hält, Señor, und Euch tötet.«
    »Es wäre schade um den, der es versuchen sollte, denn es ist lange her, daß ich mich nicht gegen Halsabschneider verteidigen konnte«, sagte Jona und schlenderte betont langsam davon.
    Diese Drohung spornte Jona bei seiner Durchsuchung der Burg nur noch mehr an, denn offensichtlich glaubte Tapia, daß hier etwas Wertvolles verborgen war, und wollte nicht, daß ein anderer darüber stolperte. Jona suchte sehr sorgfältig und griff sogar in jede Wandnische, für den Fall, daß man sie ähnlich benutzt hatte wie die Nische in seinem eigenen Haus, die als Versteck für seine hebräischen Manuskripte diente, aber er zog nichts aus diesen dunkeln Löchern bis auf ein Mäusenest und ein paar Spinnweben, und bald fand er sich in
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