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Der Mantel - Roman

Der Mantel - Roman

Titel: Der Mantel - Roman
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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überall, ein Konzert der Lebensfreude. Kein Komponist, kein Publikum. Jam Session. Er blickt zum Fluss, auf- und abwärts. Noch keine Passanten, Hundegänger. Nur ein früher Läufer. Er nimmt keine Notiz von dem kleinen Mann mit dem Jägerhut und dem Cape, der da versunken in seinem Konzerterlebnis steht.
    Schmidt schaut an sich herunter. Erdhörnchen, denkt er. Den Spaten und das dreckverschmierte Cape muss er noch loswerden. Er schaut auf das Grab. Es ist, als habe sich alles geschlossen. Die Prachtkastanie, Shivas Baum, soll an ihn erinnern. Ihre Wurzeln ihn umfangen.
    Er nimmt den Spaten auf. Ein ihm fremdes Werkzeug in müden Händen. Langsam tappt er zum nächsten Weg Richtung Brücke. Er hält den Spaten mit einer Hand waagrecht kurz unter dem Blatt. Zwei Radfahrer, pfeilschnell und ohne Rücksicht zielgerichtet, fahren ihn fast um. Rasch biegt er vom Weg ab und zwängt sich durch das Unterholz. Nach wenigen Metern auf rutschigem, abschüssigem Gelände steht er auf dem betonierten Brückenfundament. Er reißt das Cape herunter und wirft es unter den Pfeiler. Den Spaten legt er darauf. Dann wendet er sich um. Es fröstelt ihn in seinem Hemd. Er erklimmt schwerfällig die kleine Böschung mit den Hindernissen aus Buschwerk. Auf dem Weg erst blickt er sich um.
    Nun tauchen vermehrt Radfahrer auf. Leute, die ihre Hunde ausführen. Die ersten Fußgänger in Geschäftskleidung, den Blick vor sich auf den Boden oder auf ein Handy gerichtet. Erste Nachrichten, Ereignisse der letzten Nacht. Dann der Fluss, neu gefüllt mit Regenwasser aus tausend Zuflüssen, grün-bräunlich und schnell. Dahinter der frühe Berufsverkehr, noch fließend. Er kann die Vögel hier im Park nicht übertönen bis auf eine Hupe, Misston aus belangloser Empörung. Was jetzt? Einen kleinen Hund vom Tierheim? Nein, nicht jetzt, irgendwann einmal vielleicht. Wenn Shiva seinen endgültigen Platz gefunden hat.
    Und Sabine Graseder, Fabian? Soll er sie fragen? Wie wird sie reagieren? Nach so langer Zeit ohne einen einzigen Annäherungsversuch. Würde Wimmer die Kanzlei verlassen, wenn er von einer Beziehung zwischen den beiden erführe? Franz, was müsste der denken?
    Schmidts Gehirn ist so erschöpft wie sein Körper. Er friert nun heftig in seiner feuchten dünnen Kleidung. Nichts zu entscheiden, nichts zu tun. Leer. Erst einmal nach Hause. Ob Sabine heute da sein würde? Gut, wenn sie nach dem Rechten sehen würde.
    In eine heiße Badewanne, schlafen. Viel schlafen. Etwas essen. Der untersetzte Mann trottet über die Brücke. Mit seinem grünen Hut und dem langen grünen Mantel war er in dieser Nacht angepasst an die Kulisse, die er gerade mit dem Morgenlicht gleichsam entkleidet und erleichtert verlässt. Der Wald, der Fluss, das gedämpfte Licht eines bedeckten Frühsommerhimmels. Diesseits des Flusses muss er ein neues Kapitel aufschlagen. Seine Schritte sind langsam, jedoch unbeirrt.

1. Auflage
© Frankfurter Verlagsanstalt GmbH,
Frankfurt am Main 2013
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung und Umschlaggestaltung: Laura J Gerlach
Umschlagmotiv: Courtesy Sammlung Goetz,
© Hans-Peter Feldmann, VG Bild-Kunst, Bonn
Fotograf: Martin Kohl, München
Satz und eBook: psb, Berlin
ISBN 978-3-627-02207-5

Stephan Goetz, geboren 1956 in Mannheim, promovierte in Jura an der Universität Regensburg und ist geschäftsführender Gesellschafter einer internationalen Banking- und Unternehmensberatungsgesellschaft. Er ist Kuratoriumsmitglied der Organisation »Children for a Better World« und aktiver Förderer gemeinnütziger Projekte, u. a. des WWF-Projektes »Heart of Borneo«. Nach seinem Debüt Aquaplaning (Redline, 2007) erscheint nun seiner zweiter Roman Der Mantel in der Frankfurter Verlagsanstalt.

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