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Der Mantel - Roman

Der Mantel - Roman

Titel: Der Mantel - Roman
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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der Bühne. Sein Magen stellte sich auf, ihm wurde schwindlig und er spürte Brechreiz. Er konnte seine so bevorzugte Unauffälligkeit nicht mehr wahren. Er musste sofort weg von hier. Er flüsterte seiner Mutter ins Ohr: »Ich muss raus, mir ist schlecht. Melde mich.« Dann richtete er sich halb auf und wandte sich dem Nachbarn zu. »Bitte«. Es war leise gesprochen, aber doch unüberhörbar. Fünf oder sechs Personen mochten es sein bis zum äußeren Aufgang. Schmidt zwang sie mit hektischer Dringlichkeit, sich zu erheben oder die Beine auf die Seite zu zwängen. Das wütende Tuscheln und Raunen um ihn herum nahm er nicht wahr, so wenig wie den sorgenvollen Blick seiner Mutter, die ihm bis zur Tür nachschaute. Tomas´ Hand ruhte beruhigend auf der ihren. Schmidt hastete währenddessen zur Toilette. Er erbrach sich gleich. Er empfand Erleichterung, als hätte er auch alle Gedanken zu seiner Vergangenheit ausgeworfen. Schwer atmend richtete er sich auf.
    Er war allein, er konnte ungestört seinen Mund ausspülen von allem Bitteren, das aus seiner aufgescheuchten Seele gekommen zu sein schien. Er trank einen Schluck und rieb mit kaltem Wasser das fiebrige und gleichwohl kalte Gesicht. Dann sah er auf. Die Augäpfel rot gesäumt, das Gesicht rund und ausgezehrt zugleich. Er ging rasch, um wie ein gehetztes Tier den Ausgang aus der Oper zu suchen.
    Das war geschafft, er trat durch die hohen Türen in die warme Frühlingsluft. Er atmete tief ein, was für eine Erleichterung. Allein, vor ihm der menschenleere Platz. Die Dunkelheit mochte gerade eingesetzt haben. Sie kam ihm sehr recht. Die Sterne nahe, der Mond eine Sichel, zunehmend. Ein gutes Zeichen. Es ging schon besser. Er würde eine solche Situation in Zukunft meiden. Nicht die beiden zusammen, nicht die Mutter, nicht diesen Vater. Den brauchte Schmidt erst einmal gar nicht mehr. Aussprache wozu, worüber? Und mit welchem Ziel? Er musste seiner Mutter erklären, dass er einfach keinen Bedarf hatte an Familiendramen und neuen Familienmitgliedern. Sicher nicht jetzt.
    Er hatte sich an eine der mächtigen Steinsäulen am Operneingang gelehnt und durchgeatmet. Nun stieß er sich ab und ging langsam die Maximilianstraße Richtung Isar hinauf. Die bizarr hohen Preise der wie Sakralgegenstände in den zahllosen Boutiquen präsentierten Kleidungsstücke und Accessoires erregten die Aufmerksamkeit flanierender Betrachter. Leicht zu erkennen, denn sie mussten sich bücken, um die verschwindend kleinen Preisauszeichnungen am Boden des jeweiligen Ausstellungsraums erkennen zu können. Nein, da war es weit besser, nur die angestrahlten Kultgegenstände der großen Marken der Welt anzuschauen. Leichter, erfüllender und weniger irritierend. Schmidt war das alles einerlei. Er hastete dem Fluss entgegen. Die Leute, die ihre Augen von den hypnotisierenden Auslagen abwenden konnten, musterten ihn befremdet. Es war nicht die Zeit für einen gehetzten Gang, ein Gesicht mit aufgerissenen Augen, glänzend in der nachts hell erleuchteten Straße. Schmidt verließ die Prachtstraße flussaufwärts. Er schlug die Richtung zu seiner Wohnung ein, obwohl er planlos war. Nun war er wieder in seinem Revier, sein Schritt verlangsamte sich. Er gewann seine Selbstwahrnehmung zurück. Nein, so wollte er nicht in die Wohnung platzen. Und innerlich hatte er auch noch nicht die Ruhe zurückgewonnen, mit der er dem Jungen und seinem Hund begegnen wollte. Er sah die bayerische Kneipe, in der seine Zeit mit Shiva ihren Ausgang genommen hatte. Ja, perfekt.
    Er trat ein. Wochenendpublikum. Gäste, die zum Essen gekommen waren. Der Geruch von billigem, ermüdetem Fett von Schweinefleisch ließ ihn im Eingang zögern. Doch, er wusste schon, wie er der aufkeimenden Übelkeit begegnen würde. Ein Obstler und ein Bier. Der scharfe Schnaps bahnte sich brennend seinen Weg durch Schmidts Körper und lenkte ihn von Übelkeit und klebrigen Gerüchen ab. Er erlebte den Abend noch einmal. Wieder überfiel ihn hilflose Wut und Peinlichkeit im Gedanken an die Konstellation und seine Unfähigkeit, mit dem umzugehen. Am besten würde es sein, wenn der Kontakt sporadisch bliebe. Und bis auf weiteres zu beiden. Seine Mutter hatte eine Mission, die er leerlaufen lassen musste. Er hatte genug eigene Themen. Shiva vor allem, aber auch mit Sabine Graseder musste er Entscheidungen fällen. Mit Franz die zweite. Absurd. Wimmer. Nicht mal komisch. Für all das brauchte er Ruhe statt schwer entwirrbarer Familienknäuel. Die
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