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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan
Autoren: Amelie Fried
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erzeugte. Einem Impuls folgend verließ sie den Weg, um eine Abkürzung über die Wiese zu nehmen. Das Gras wurde immer höher, das Laufen zunehmend beschwerlich. Blöde Idee, dachte sie und ärgerte sich über sich selbst.
    Plötzlich war etwas im Weg. Kate stolperte, schlug der Länge nach hin. Fluchend blieb sie liegen und rieb ihren schmerzenden Knöchel. Sie richtete sich halb auf, sah suchend um sich – und blickte direkt in das Gesicht einer Frau, die kaum einen Meter von ihr entfernt reglos im Gras lag.
    Mit einem Satz war Kate wieder auf den Füßen. Fassungslos starrte sie auf den zusammengekrümmten Körper. Das Kleid der Frau war blutdurchtränkt, an den nackten Beinen klebte ebenfalls Blut, schon halb getrocknet. Kate wurde eiskalt vor Entsetzen.
    Alle Plätze des Frisiersalons waren besetzt, als Kate hereinstürmte. Die Kundinnen unterhielten sich, während ihre Haare geschnitten, gesträhnt oder eingedreht wurden.
    Der Friseur kam auf Kate zu und reichte ihr eine Zeitschrift.
    »Nehmen’s einen Moment Platz«, bat er.
    »Ich muß telefonieren!« stieß Kate atemlos hervor.
    »Pro Einheit ein Fuffzgerl.« Der Friseur deutete auf das Telefon neben dem Ladentisch.
    »Ich habe eine Tote gefunden!« schrie Kate, und die Gespräche im Salon verstummten. Alle Köpfe drehten sich zu Kate. Der Friseur war blaß geworden.
    »Na, dann …«, sagte er und deutete nochmals auf das Telefon.
    Mit zitternden Fingern wählte Kate die Notruf-Nummer der Polizei. Da sie nicht genau erklären konnte, wo die Frau lag, befahl ihr der Einsatzleiter, im Frisiersalon auf die Beamten zu warten.

DREI
     
    A rmin, der Friseur, der mit seinen merkwürdig hochstehenden krausen Haaren aussah wie ein Pudel, hatte ihr einen Stuhl hingeschoben und ein Glas Wasser gebracht. In sich zusammengesunken saß Kate da.
    Mit gedämpfter Stimme, aber vibrierend vor Aufregung, wurde im Laden über den Vorfall gesprochen. Mit nassem Haar, halb aufgewickelten Locken und unvollständig geschnittenen Frisuren saßen die Kundinnen auf ihren Stühlen und tuschelten.
    »Haben Sie sie gekannt?« wagte eine, Kate zu fragen.
    Die schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Wie sieht sie denn aus?« hakte eine andere nach.
    Kate setzte zu einer Antwort an, brach aber in Tränen aus, bevor sie ein Wort herausgebracht hatte.
    »Jetzt laßt sie gefälligst in Ruh!« zischte Armin und stellte sich schützend vor Kate.
    Gleich darauf hielten zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen vor der Tür des Ladens. Zwei uniformierte Polizisten und ein Mann in Zivil stiegen aus und betraten den Salon.
    »Frau Moor?«
    Kate nickte und stand auf. Der Mann in Zivil reichte ihr die Hand. »Hauptkommissar Lukas Lander, Kriminalpolizei. Können Sie uns zum Fundort führen?«
    Er hielt ihr die Autotür auf und nahm neben ihr Platz. Der Konvoi setzte sich in Bewegung. Während der kurzen Fahrt nahm der Kommissar ihre Personalien auf und stellte ein paar Fragen, die Kate so genau wie möglich beantwortete.
    Lander machte sich Notizen auf einem kleinen Block, dann klappte er ihn zu und steckte ihn in die Tasche seinens hellen, weiten Sommeranzuges. Kate dachte kurz, daß er nicht aussah wie ein Kommissar. Oder jedenfalls nicht so, wie sie sich einen vorstellte. Er war viel jünger, trug sein hellbraunes Haar halblang und wirkte eher wie einer dieser Typen, die in Werbeagenturen oder Fernsehproduktionen arbeiten. Er hatte nichts von einem Beamten.
     
    Die Frau lag da, wie Kate sie gefunden hatte; mitten in der Blumenwiese, halb verdeckt vom hohen Gras. Ein paar Fliegen hatten sich rund um ihren Mund niedergelassen.
    Kate unterdrückte die Übelkeit, die in ihr aufstieg.
    »Kennen Sie die Frau?« wollte nun der Kommissar wissen, und Kate verneinte. Sie konnte sich nicht erinnern, sie jemals vorher gesehen zu haben.
    Der Notarzt fühlte Herzschlag und Puls, leuchtete mit einer kleinen Lampe in eines der Augen und schüttelte den Kopf.
    Lander bedeutete seinen Leuten durch ein Kopfnicken, mit der Spurensicherung zu beginnen. Er nahm Kates Arm und führte sie weg von der Leiche. Dabei achtete er darauf, daß sie den gleichen Weg zurückgingen, dort, wo das Gras schon niedergedrückt war.
    »Soll ich Sie nach Hause fahren?« fragte er.
    Kate überlegte kurz.
    »Ehrlich gesagt würde ich lieber laufen«, sagte sie.
    »Ich muß dieses Bild abschütteln, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Natürlich. Versuchen Sie, mit jemandem darüber zu sprechen. Das ist besser, als alleine zu Hause zu
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