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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan
Autoren: Amelie Fried
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dort gesessen.
    Kate durchstöberte den Schuppen nach den nötigen Gerätschaften. Mit Rechen, Spaten, Hacke und Schaufel machte sie sich ans Werk. Die Beete waren so überwuchert mit Unkraut, daß man sie kaum noch von ihrer Umgebung unterscheiden konnte.
    Sie hackte den Boden auf und entfernte Stück für Stück den Giersch, dessen dünne, weiße Wurzeln sich zu einem unterirdischen Netzwerk zusammengeschlossen hatten, von dem das gesamte Erdreich durchzogen war. Wahrscheinlich war es völlig sinnlos. In wenigen Tagen würde das wuchernde Kraut wieder die Oberhand haben. Kate richtete sich auf und knabberte an einem der Blätter. Sie erinnerte sich dunkel, daß sie eßbar waren. Wenn das Unkraut schon nicht zu besiegen wäre, so sollte es wenigstens zu etwas nutze sein, dachte sie grimmig. Aber die Blätter schmeckten trocken und bitter. Wer immer herausgefunden hatte, daß man sie essen konnte, mußte in einer ziemlichen kulinarischen Notlage gewesen sein.
    Als sie zwei Rosenbeete freigerupft hatte, hielt Kate Ausschau nach einer Schubkarre. Nach einigem Suchen wurde sie fündig; das Ding war alt und rostig, vor allem aber bedeutend schwerer, als sie gedacht hatte. Sie wankte auf den Komposthaufen zu, der sich genau auf der Grenze von Nellis’ Grundstück und dem des nachtaktiven Nachbarn befand und offenbar zur gemeinsamen Benutzung diente.
    Schwitzend und außer Atem stoppte Kate die Karre neben dem Berg aus abgemähtem Gras, Zweigen und organischen Küchenabfällen. Beherzt griff sie mit beiden Händen in den Giersch, wandte sich zum Kompost – und erstarrte.
    Eine schleimige, bräunliche Masse krönte den Haufen.
    »Igitt!« Angewidert verzog sie das Gesicht, konnte den Blick aber nicht von dem ekelerregenden Matsch wenden. Schnecken! Durchgeschnittene Nacktschnecken, bei lebendigem Leib massakriert. Nicht, daß sie eine besondere Sympathie für Nacktschnecken gehegt hätte, aber bei der Vorstellung, daß letzte Nacht bei jedem »klack« eine von ihnen zerfleischt worden war, wurde ihr übel. Sie fühlte den leichten Schwindel und griff nach den Zweigen der Hecke. Nein, jetzt nicht, dachte sie und zwang sich, tief und ruhig zu atmen.
    »Fette Beute, was?« hörte sie Mattuscheks Stimme. Sie hatte nicht bemerkt, daß er sich genähert hatte.
    »Warum tun Sie das?« fragte Kate empört.
    »Fressen alles an«, gab Mattuschek zurück, »nichts ist sicher vor ihnen! Wenn man eine Schale mit Bier aufstellt, kriechen sie rein.«
    »Aber sterben sie nicht schon davon? Man muß sie doch nicht auch noch zerschneiden!«
    »Sicher ist sicher«, Mattuschek lächelte. Er sah Kate besorgt an. »Was ist denn, ist Ihnen nicht gut?«
    »Danke, es geht schon.«
    »Sie sehen aus, als würden Sie gleich umkippen.«
    »Keine Sorge! Da müssen Sie schon schwerere Geschütze auffahren als ein paar tote Schnecken«, gab Kate zurück.
    »Tut mir leid, wenn Sie sich erschreckt haben. Aber die Viecher müssen einfach weg.«
    Mattuschek ließ, offenbar auf der Suche nach einem anderen Thema, den Blick in ihren Garten schweifen.
    »Man könnte gelegentlich mal den Apfelbaum schneiden. Die Zweige hängen schon über.«
    Er deutete mit dem Finger an der Hecke entlang in den unteren Teil des Gartens. Dort streckte ein schöner, alter Baum seine Zweige nach allen Seiten aus. Kates Blick wanderte über die Hecke in Mattuscheks Garten.
    Sein Rasen war frisch gestutzt, die Beete waren akkurat abgezirkelt und vollkommen gierschfrei. Alles war so ordentlich und gepflegt, daß die Äste des Apfelbaumes, die sich über die Hecke tasteten, wie freche Eindringlinge wirkten.
    »Ich weiß nicht …«, sagte Kate, »ich hab’ das noch nie gemacht. Und ohne die Einwilligung von Nellis …«
    »Ach was«, unterbrach Mattuschek sie barsch, »dem ist das ganz egal.« Gleich darauf wurde sein Tonfall wieder freundlich. »Wenn Sie wollen, mach’ ich das für Sie«, bot er an.
    Kate nickte, dankbar, die drohende Störung des nachbarschaftlichen Friedens abgewendet zu haben. Sie verstand zwar nicht, warum die Zweige ihn störten, aber wenn es ihm so wichtig war, bitte schön.
     
    »Bernd hat vorhin angerufen«, vermeldete Samuel, als sie ins Haus zurückkam. Komischerweise hatte er seinen Vater nie Papa genannt, nicht mal als kleiner Junge.
    »Und, was wollte er?« fragte Kate und versuchte, normal zu klingen.
    »Wegen morgen. Wann er mich abholen soll.«
    Es gab Kate einen Stich. Natürlich, morgen war Samstag. Samuel würde das Wochenende beim Vater
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