Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
mehr.
    Aufstehen, Händeschütteln. Also dann, alles Gute. Tak-tarak, tak-tarak macht Kates Herz, das blöde, empfindliche Ding.
    Da geht er hin, ihr Traum von der großen Liebe.
    Draußen warten tatsächlich zwei versprengte Pressefotografen, um das Sensatiönchen für ihre Blätter festzuhalten. Klar, sie war ja mal berühmt. Katharina Moor, die »schöne Sprinterin«.
     
    Schnell schob Kate die Erinnerung weg.
    Sie setzte sich wieder an den Küchentisch und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es gab so vieles, was jetzt getan werden mußte. Ihren Namen auf dem Briefkasten anbringen. Samuel in der Schule anmelden. Ihre neue Adresse verschicken. Ein Konto eröffnen. Das Haus in Schuß bringen. Den Schuppen aufräumen. Den Rasen mähen.
    Je mehr ihr einfiel, desto kraftloser fühlte sie sich. Sie wäre am liebsten nur so sitzen geblieben, die wärmende Kaffeetasse in der Hand, die Bewegungen einer Fliege verfolgend, die besessen brummend um einen vertrockneten Zimmerfarn kreiste. Nellis mußte vergessen haben, die Pflanze irgend jemandem zum Gießen zu bringen.
    Seit sechs Wochen war Nellis weg, und er würde den Rest des Jahres unterwegs sein. Australien, Neuseeland, Polynesien. Nellis war Reiseschriftsteller, seit Jahren fuhr er um die Welt und kehrte nur für ein paar Monate im Jahr in dieses Haus zurück, um hier seine Artikel und Bücher zu schreiben. Von Olga, einer gemeinsamen Freundin aus der Stadt, hatte Kate den Schlüssel bekommen. In einem langen Fax hatte Nellis ihr aufgelistet, was zu beachten wäre. Bis zum Jahresende würde sie in seinem Haus bleiben können, vielleicht sogar länger. Die Sache hatte einen großen Vorteil: Sie konnte umsonst hier wohnen. Nellis verlangte keine Miete; nur ihren Verbrauch an Strom, Heizöl und Wasser würde sie bezahlen müssen. Das war ihre Rettung, denn Kate war pleite.
    Die Ehe mit Bernd hatte alle ihre Ersparnisse aufgesaugt. Dabei war sie – gemessen an anderen Zweiundzwanzigjährigen – bei ihrer Hochzeit richtig reich gewesen. Preisgelder, Werbeverträge, Gastrollen im Fernsehen; es war einiges zusammengekommen in den paar Jahren, in denen sie gefragt war.
    Geldangelegenheiten hatten Kate nie interessiert, sie hatte es ihrem Mann überlassen, sich darum zu kümmern. Und der kümmerte sich. Darum, daß immer ein teures Auto vor der Tür stand, daß sie zwei- bis dreimal im Jahr Urlaub machten, daß gut gegessen wurde und modische Klamotten im Schrank hingen. Sie gewöhnte sich schnell an diesen Lebensstil, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie all das finanziert wurde. Ihr Mann hatte schließlich einen Job beim Fernsehen, wahrscheinlich verdiente man da soviel.
    Es war nur eine von vielen unangenehmen Überraschungen gewesen, daß sie im Laufe der Scheidung kapierte, wieviel von ihrem Geld Bernd all die Jahre ausgegeben hatte. Und er hatte sich nicht entblödet, ihr kürzlich eine größere Summe anzubieten. Für den »neuen Anfang«.
    Haha. Welchen Anfang? Das Leben in einem Haus, das nicht ihres war, in Möbeln, die ihr nicht gehörten, in einem Dorf, in dem sie zufällig gelandet war, mit Perspektiven, die äußerst zweifelhaft waren.
    »Du mußt mir nichts dafür bezahlen, daß ich gehe«, hatte sie zu Bernd gesagt und den Kopf zurückgeworfen. »Ich gehe freiwillig.« Aber was heißt schon »freiwillig«, wenn man einer Konkurrentin das Feld überläßt? Sollte Bernd sich wenigstens mit ein paar Schuldgefühlen rumplagen. Wenn er so was überhaupt kannte.
    Plötzlich fiel ihr das Fax von Nellis ein. Vielleicht stand was zur Heizung drauf. Sie wühlte in ihrer Handtasche, bis sie das zerknautschte Blatt gefunden hatte. Ausführlich hatte Nellis notiert, wo welche Schlüssel waren, wie mit dem Müll zu verfahren war und dergleichen mehr. Zum Stichwort Heizung entzifferte sie:
    »WW-Bereitung mit gr. rotem Knopf, gleichz. Hebel links bewegen und ca. 20 Sek. warten.«
    Ganz unten am Blattrand stand noch etwas. Kate mußte das Blatt leicht drehen, um es lesen zu können.
    »Beware of neighbours!!!« hatte Nellis hingekritzelt. Mit drei Ausrufezeichen.
    Was sollte das denn heißen? Es klang wie »Warnung vor dem Hunde«. Und welche Nachbarn meinte er überhaupt? Das Haus hatte in alle Richtungen Nachbarn, es wäre sehr hilfreich gewesen, wenn er seine Warnung etwas spezifiziert hätte. Vielleicht meinte er ja die schreckliche Person von heute morgen, es würde Kate nicht überraschen.
    Das Brummen war stärker geworden. Kate sah erstaunt auf. Die Fliege
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher