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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio
Autoren: Peter Dempf
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1.
    Leben und Tod waren auf dem Markt
allgegenwärtig. Um die kleine Kirche Sant’Angelo in Pescheria, wenige Straßen
nördlich der Tiberinsel, wurden kreisrunde Bastmatten die ganze Nacht hindurch
mit Fackeln beleuchtet, sodass die darauf ausgelegten Fische und Krebse den
Eindruck erweckten, als würden sie noch immer nach Luft schnappen und im
Todeskampf zappeln.
    Nerina lehnte sich gegen eine Säule
und musterte die Menschen, die sich mitten in dieser ungewöhnlich warmen
Februarnacht die besten Stücke aus dem Tiberfang suchten. Ihr zur linken lehnte
ein Mann gegen eines der hölzernen Fässer, in denen noch lebenden Tiere schwammen
und gierig Luftblasen schluckten. Unverhohlen sah er sie an, doch als er gewahr
wurde, dass sie ihn beobachtete, drehte er sich langsam weg, als wolle er dem
günstigen Angebot eines der Fischer folgen. Nerina hätte ihn nicht beachtet,
wenn ihr Gefühl sie nicht gewarnt hätte. Hatte sie den Mann heute nicht schon
einmal vor Micheles Atelier bemerkt? Da sein Gesicht im Fackelschein aber nur
unzureichend auszumachen war, konnte sie sich auch irren. An das zerzauste
dunkle Haar mit der kreisrunden Glatze am Hinterkopf glaubte sie sich jedoch zu
erinnern. Sie schüttelte den Kopf über ihre verqueren Gedanken.
    Trotzdem beschloss Nerina,
vorsichtig zu sein. Sie schlängelte sich wieder durch die Auslagen, vorbei an
den Fischersfrauen, die lautstark ihre Waren anpriesen. Sie mochte diesen
Geruch nach Feuchtigkeit und Leben, den Geruch der Fische nach dem langsam
fließenden Wasser des Tibers. Sie mochte das Treiben, das mitten in der Nacht
auf dem Markt herrschte, als würde dort das Herz der Stadt schlagen, fortwährend,
in einem gleichmäßigen, starken Takt, und Menschenleiber durch die Straßen und
Gassen pumpen. Hier kaufte man den frischesten Fisch Roms, hier holte man sich,
was zu Mittag oder zu Abend gegessen wurde. Hier traf sich, wen die Stadt übrig
ließ, Huren und Bettler, Freier und Fremde, Nachtschwärmer und Frühaufsteher.
Um das offene Feuer der Bratereien sammelte sich das Volk der Nacht, das sich
tagsüber vor der Hitze in die dunklen Winkel der Stadt zurückzog, um hier mit
einem Schluck Wein die letzte Mahlzeit des Tages oder das erste Frühstück zu
sich zu nehmen.
    Nerina ließ ihren Blick über das
Gewühl schweifen. Quer über den Platz hin und in Richtung Corso und Porto di
Ripetta schwankte eine Sänfte, die vermutlich einen Adligen beherbergte, der
sich zu so früher Stunde nach Hause tragen ließ. Sie erkannte das herzogliche
Wappen der Gonzaga auf den schwarz glänzenden Türverschlägen. Die Vorhänge
waren zugezogen. Ein hagerer Begleiter in einer dunklen Livree mit langen
schwarzen Haaren lief neben der Sänfte einher und fiel immer wieder in einen
kurzen Trab, um Schritt zu halten. Er sprach in einem fort auf den Unbekannten
in dem schwarzen Kasten ein. Nerina vermutete, dass es die Aufgabe des Mannes
war, den Adligen, vielleicht auch den Kardinal, der sich hinter den Vorhängen
verbarg, zu unterhalten. Sie musste schmunzeln. Der fortwährend ins Leere
gestikulierende und vor sich hin brabbelnde Kerl wirkte gar zu lächerlich.
    Fast hätte Nerina aufgeschrien, als
sie plötzlich angesprochen wurde. Der Mann stand so, dass sie sein Gesicht
gegen das Fackellicht nicht richtig erkennen konnte. Umrahmt wurde es ohnehin
von einem starken Bart.
    „Fisch, Signorina Nerina? Frisch
aus dem Tiber. Mit Kopf!“
    Erleichtert atmete Nerina auf, als
sie die Stimme des Fischers Bernardo erkannte.
    „Si, Bernardo! Für zwei Personen.
Nicht zu groß, damit der Kopf nicht beten muss!“
    Bernardo lachte. Sie spielten auf
den Marmortisch in der Nähe an, auf dem alle am Markt gekauften Fische gemessen
werden mussten. Ragte der Fisch über die Marmorplatte hinaus, war der Kopf als
Steuer an den Marktaufseher abzugeben. Jeder wusste, dass er in die Suppentöpfe
des Vatikans wanderte und dem Heiligen Vater serviert wurde.
    Sie deutete auf einen der Fische,
dessen silbriger Rücken im Schein der Fackeln rötlich glänzte. Mit dem
geschickten Hieb seines Hakens holte der Fischer ihn aus dem Wasser, legte ihn
auf seine Theke und versetzte ihm einen Schlag auf den Kopf, bis er aufhörte zu
zappeln.
    „Geht bitte mit Eurem ... Mann
etwas sanfter um.“ Er grinste anzüglich, als er ihr den Fisch an den Kiemen
reichte.
    „Ich bin nicht verheiratet,
Bernardo“, erwiderte Nerina die Spitze des Fischers, „aber ich bin eine
gelehrige Schülerin.“  
    Nerina hielt ihm ihren
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