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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan
Autoren: Amelie Fried
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glauben. Mir würde es genügen.«
    »Siehst du, der Polizei hat es nicht genügt. Die haben mir zwar geglaubt, aber sie haben mir klargemacht, daß es für eine Verurteilung nicht reichen würde. Und sie haben mir gesagt, das Schlimmste an einer Vergewaltigung sei der Prozeß hinterher. Und ich hätte ja noch mal Glück gehabt, er hätte mich ja nicht wirklich vergewaltigt. Ich habe ja nur das Kind verloren.«
    Kate sah betroffen vor sich auf den Boden. Malise zwang sie, ihr in die Augen zu sehen.
    »Daß Samuel geraucht hat, ist noch lange kein Beweis dafür, daß Mattuschek den Schuppen nicht angesteckt hat! Und daß ihr bei ihm nichts gefunden habt, heißt nicht, daß er die Katze nicht umgebracht hat! Der Mann auf dem Fahrrad, wer sonst soll es gewesen sein? Mattuschek haßt dich! Lander hatte ihn gerade verhört, er war in Panik!«
    Malise war aufgesprungen und stand mit blitzenden Augen vor Kate. Plötzlich schien ihr etwas einzufallen. Sie lief aus dem Zimmer und kam mit einem Buch und einer Handvoll Münzen zurück.
    »Hier, kennst du das?«
    Kate griff nach dem Buch. »I Ging. Das Buch der Wandlungen. Ja, ich hab’ davon gehört.«
    Malise zählte sechs Münzen in Kates Hand.
    »Die wirfst du, aber nicht zusammen, sondern eine nach der anderen, okay?«
    Kate folgte der Anweisung, und Malise notierte nach jedem Wurf Striche auf einem Blatt Papier. Einen durchgehenden Strich für Zahl, einen durchbrochenen für Kopf. Schließlich war ein Gebilde aus vier durchbrochenen und zwei durchgehenden Strichen entstanden, dessen Entsprechung Malise im Buch nachschlug.
    »Ming I«, las sie, »die Verfinsterung des Lichts. Ein finsterer Mann an maßgebender Stelle, durch den der Tüchtige und Weise geschädigt wird. Das Urteil: die Verfinsterung des Lichts. Fördernd ist es, in der Not beharrlich zu sein. Anfangs eine Neun bedeutet: Der Betroffene denkt nicht an sich selbst, sondern nur an die Rettung der anderen, die auch bedroht sind. Darum sucht er mit äußerster Kraft zu retten, was zu retten ist. In diesem pflichtgemäßen Handeln liegt das Heil.«
    Triumphierend sah sie auf. »Na, bitte!«
    »Hör auf«, sagte Kate. »Die Sache ist zu ernst.«
    In diesem Moment klingelte es. Malise stand auf, um zu öffnen. Kate erkannte die Stimme von Kommissar Lander. Sie erschrak. Es ist nichts passiert, sagte sie zu sich selbst. Mattuschek lebt, Miroslav ist über alle Berge. Du hast nichts zu befürchten.
    Schnell schob sie das Buch und die Münzen unter ein Kissen; sie wollte nicht, daß Lander sie für eine esoterische Spinnerin hielte.
    Malise und ihr Besucher traten ins Wohnzimmer; der Kommissar grüßte sie überrascht, und Kate hatte das Gefühl, er sei erfreut, sie zu sehen.
    »Geht’s gut?« fragte er, und Kate nickte stumm.
    »Ich muß Sie leider warnen«, sprach er mit ernstem Gesicht weiter. »Es hat wieder einen Fall von versuchter Vergewaltigung hier im Ort gegeben. Das Opfer ist nur knapp entkommen, und es besteht erneut der Verdacht, daß der Täter aus dem Dorf stammt.«
    »Dann haben Sie damals also doch den Falschen erwischt?« platzte Kate heraus.
    »Durchaus nicht«, wehrte Lander ab. »Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um denselben Täter. Sie können mir glauben, daß ich guten Grund habe, Sie um Vorsicht zu bitten.«
    »Könnten Sie ein bißchen konkreter werden? Gibt es jemanden, vor dem wir besonders vorsichtig sein sollen?« fragte Malise scheinbar naiv.
    Lander lächelte. »An wen denken Sie?«
    »Na ja, dem einen oder anderen würde man eine solche Tat schon zutrauen …«
    »Ich nehme an, ich weiß, auf wen Sie anspielen«, sagte Lander.
    »Und?« insistierte Malise.
    »Sie werden verstehen, daß ich hier keine Namen von Verdächtigen nennen kann«, sagte Lander plötzlich betont geschäftsmäßig und erhob sich. Ein zusammengefaltetes Stück Papier fiel aus seiner Hosentasche, ohne daß er es bemerkte. »Ich wollte Ihnen keine Angst machen. Aber seien Sie bitte vorsichtig, denn manchmal trifft das scheinbar Unwahrscheinliche zu.«
    Kate zuckte zusammen.
    Lander sah sie an. »Laufen Sie noch?«
    Kate nickte.
    »Meiden Sie einsame Waldstrecken. Laufen Sie lieber auf der Landstraße«, empfahl er.
    »Wer … wer ist das Opfer?« fragte Kate.
    »Ein junges Mädchen. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs.«
    »Wird sie überleben?«
    Lander nickte. »Sie hat verdammtes Glück gehabt.«
     
    »Bingo!« sagte Malise, als er gegangen war.
    Kate hob das Papier auf und faltete es
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