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Der Mann von Nebenan

Der Mann von Nebenan

Titel: Der Mann von Nebenan
Autoren: Amelie Fried
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Kate schlaflos durchs Haus. Gegen Morgen hielt sie es nicht mehr aus. Sie zog ihre Joggingkleidung an und lief los, in die Morgendämmerung hinein.
    Ein heftiger Frühlingssturm trieb die Wolken vor sich her und riß an den Bäumen. Die letzten Schneereste tauten im föhnig-warmen Wind, das Schmelzwasser hatte die Wiesen in kleine Seen verwandelt. In den Bauernhöfen brannten die ersten Lichter, aus den Ställen erscholl vereinzeltes Muhen.
    Kate lief schnell, als wolle sie ihren Gedanken entfliehen. Erst nach über einer Stunde kehrte sie ins Dorf zurück.
    Sie entdeckte Licht in der Bäckerei. Natürlich, Franz war wach, bald würde er mit der Arbeit fertig sein.
    Kate spürte Sehnsucht. Nach ihm, nach der warmen, duftenden Backstube. Vielleicht könnten sie zusammen Kaffee trinken; sie würde ihre Zähne in ein frisches Gebäckstück graben und für eine kurze Weile das Gefühl haben, ein ganz normales, ungefährdetes Leben zu führen.
    Sie ging auf den Eingang zu. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick durch das hell erleuchtete Fenster – und erstarrte. Das neue Lehrmädchen, das Franz vor kurzem eingestellt hatte, war bei ihm. Franz streifte ihr gerade die weiße Hose von den Beinen, hob sie lachend hoch und setzte sie mit dem nackten Po auf einen Klumpen Brötchenteig, der von ihrem Gewicht auseinandergedrückt wurde. Das Mädchen warf den Kopf in den Nacken und kicherte. Er packte ihren Hintern mit beiden Händen und zog sie mit einem Ruck zu sich heran.
    Kate wandte sich ab. Die Tränen vermischten sich mit dem Schweiß auf ihrem Gesicht, alle Energie war aus ihrem Körper gewichen. Zu Hause verkroch sie sich ins Bett.
    Als sie später am Vormittag erwachte, fand sie zu ihrer Überraschung die gewohnte Tüte vor der Tür. Angewidert packte sie die Brötchen und warf sie in den Müll. Dann eilte sie ins Nachbarhaus.
     
    »Wir dürfen es nicht tun, Malise!« sagte Kate.
    Malise reagierte nicht. Sie sah Kate prüfend an und sagte: »Du hast Liebeskummer. Der Zauber wirkt nicht mehr.«
    »Woher weißt du das?« fragte Kate verblüfft.
    »Ich weiß mehr, als du denkst.«
    Sie zog Kate auf eines der Sitzkissen und drückte ihr eine Tasse mit heißem Tee in die Hand. Kate schnupperte. Der Duft eines unbekannten Gewürzes stieg ihr in die Nase.
    »Du mußt mir zuhören«, bat Kate, nachdem sie zwei tiefe Schlucke getrunken hatte.
    »Ich höre dir zu«, erwiderte Malise ruhig.
    Kate erzählte von Bernds Anruf und von Ritas Lügengeschichte. Daß alles so sein könnte, wie sie gedacht hatten – oder eben ganz anders. Daß der Gedanke sie nicht mehr losließe, daß Mattuschek zwar lästig und widerlich war, aber vielleicht doch kein Vergewaltiger oder Mörder.
    Als sie geendet hatte, schwieg Malise. Sie schien tief in Gedanken versunken. Dann fragte sie unvermittelt: »Was ist das Schlimmste, was Mattuschek dir angetan hat, wenn du einmal davon ausgehst, daß er all die Dinge getan hat, die wir vermuten?«
    Kate überlegte.
    »Eigentlich …«, sagte sie zögernd, »… habe ich mich am hilflosesten gefühlt, als ich die Schachtel mit meinen Sachen und die Bilder bei ihm fand. Ich hatte das Gefühl, er sei tief in mein Leben eingedrungen, und das schon lange, bevor ich überhaupt etwas davon geahnt habe.«
    »In ein fremdes Leben eindringen …«, griff Malise ihre Worte auf, »das ist dasselbe, wie in einen fremden Körper eindringen. Es ist nichts anderes als Vergewaltigung.«
    »Da gibt es aber schon einen Unterschied«, protestierte Kate.
    »Findest du? Hast du mir nicht gesagt, dein Denken und Fühlen sei vergiftet, deine Seele nähme Schaden durch all das Negative, das von ihm ausgeht? Ist das keine Gewalt?«
    »Warum bist du so sicher, daß es Mattuschek war, der damals versucht hat, dich zu vergewaltigen?« wollte Kate wissen.
    »Ich weiß es eben.«
    »Siehst du, und das reicht mir nicht!« rief Kate aus.
    »Du vertraust mir nicht«, sagte Malise.
    Kate schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das stimmt nicht. Aber verstehst du denn nicht, daß ich einen Beweis brauche?«
    »Was ist schon ein Beweis«, sagte Malise. »Was, wenn ich dir ein Büschel Haare geben würde, gefärbt wie seine, die ich ihm beim Kampf ausgerissen habe? Und einen Ehering mit seinen Initialen, den er am Tatort verloren hat? Würdest du mir dann glauben?«
    »Ja, natürlich!« sagte Kate und sah überrascht auf.
    »Und wer sagt dir, daß ich die Haare nicht aus seiner Haarbürste habe, und den Ehering irgendwo gefunden?«
    »Ich würde dir
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