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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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zu blicken.
    »Was ich meine…?« Er zögerte. »Ich bin, wie soll ich sagen… verblüfft, daß ihr gerade auf mich kommt. Es stimmt schon, ich kenne mich mit der Landefähre aus, aber das allein ist noch kein Grund. Linn würde es gewiß auch schaffen, und warum sollt ihr anderen eigentlich zurücktreten, nur weil ihr älter seid? Nein«, fuhr er plötzlich energischer fort, »es kommt nicht in Frage, daß ich fahre. Habt ihr denn nicht bedacht, was es gerade für mich bedeuten würde, als einziger am Leben zu bleiben? Schließlich hatte ich doch die Idee mit dem Blauen Planeten, und nur wegen des Aufenthalts dort ist es bei uns zur Havarie gekommen. Man kann es drehen, wie man will, ich war’s, der euch in diese Sache hineingezogen hat. Ihr könnt jetzt nicht verlangen, daß ich es euch überlasse, die Rechnung zu begleichen.«
    13. Dr. Palmes
Surkins Worte stießen sofort auf heftigen Widerspruch. »Weshalb sollst du die Schuld allein auf dich nehmen, Andre«, protestierte Sart, »wir alle wollten zum Blauen Planeten fliegen, und was mich angeht, so bereue ich nichts. Nichts, gar nichts. Niemand konnte voraussehen, daß unser Ausflug eine so verhängnisvolle Wendung nimmt.«
    Der Kommandant war ähnlicher Meinung. »Wenn jemand die Verantwortung an dieser Aktion trägt, dann bin ich es. Schließlich lag die letzte Entscheidung bei mir. Ich kann mich nur damit trösten, daß es die Expeditionen nach uns leichter haben, weil sie unsere Erfahrungen und unser Unglück kennen. Du, Andre, brauchst dir überhaupt keinen Vorwurf zu machen…«
    Kerr und Sart redeten noch eine Weile auf den Navigator ein, offensichtlich ohne ihn zu überzeugen. Dr. Palmes hörte ihnen schweigend zu. Er konnte den Ingenieur verstehen. Surkin war Feuer und Flamme gewesen, als es darum ging, den Blauen Planeten anzusteuern, jetzt hatte sich seine Begeisterung ins Gegenteil verwandelt. Dr. Palmes empfand ihm seine Niedergeschlagenheit nach, er versuchte sich vorzustellen, wie ihm selbst zumute wäre, wenn er mit einem solchen Schuldgefühl vor Bell hintreten müßte. Oder vor Lydia. Oder vor die Leute von der Zentrale. Ja, er begriff Surkin, aber gerade deshalb blieb er bei seiner Meinung. Denn der Navigator hatte einen Fehler begangen, bildete es sich wenigstens ein; und es durfte nicht sein, daß er mit diesem Gedanken starb.
    »Wenn es eine Schuld gibt«, sagte Dr. Palmes deshalb, »dann trifft sie dich vielleicht wirklich mehr als uns. Aber gerade, weil du dich am stärksten belastet fühlst, mußt du weiterleben. Nicht zur Sühne, sondern um dich von diesem Druck, von deinem Schuldgefühl zu befreien. Du mußt die Ergebnisse unserer Expedition sicher ans Ziel bringen, und du mußt die Gelegenheit haben, den Fehler später gutzumachen. Oder das, was du als Fehler ansiehst. Eine schwere Zeit liegt vor dir, wenn du den Harten Türkis erreichst. Vielleicht begegnen dir Unverständnis und sogar Mißtrauen, wenn du berichtest, was vorgefallen ist. Doch das wirst du überstehen. Deine Erfahrungen gehen am tiefsten, sie werden den anderen am meisten nützen. Der Tod ist bitter, schmerzlich für jeden von uns, dich aber darf er nicht jetzt, nicht an einem solchen Punkt treffen. Es hilft nichts, denk später an unser Schicksal, nicht in diesem Augenblick – du bist es, der sich dem Leben stellen muß.«
    14. Der Pfeil
Das Dunkel des Alls, nur vom kalten Glanz der Sterne durchstrahlt, hielt die Fähre umfangen, auf dem Stereoschirm war der Falke ein kleiner und kleiner werdender Punkt. Surkin war allein. Er lag lang in seinem Liegesessel ausgestreckt und versuchte sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm lag. Wenn der Sauerstoffvorrat reichen sollte, durfte er sich nur sehr wenig bewegen. Sparatmung, wie oft hatten sie das im Ausbildungszentrum trainiert. Nie hatte er gedacht, daß er sie einmal unter solchen Bedingungen anwenden müßte.
    Er wollte jetzt nicht an die Gefährten denken, die ihm von dort drüben sicherlich noch immer ihre guten Wünsche nachschickten. Sie hatten sich nicht von ihrem Standpunkt abbringen lassen. Zwei Stunden hatte die Beratung an jenem Tag gedauert, ehe er sich schließlich geschlagen gab. Er hatte nicht geahnt, daß vor allem Erik Palmes so hartnäckig und so beredt sein würde. Keiner der Männer hatte an sich gedacht, hatte seine Hoffnungen, seine Freunde und Verwandten ins Spiel gebracht, obwohl es ihnen doch bei der Erinnerung an sie – schon war es Erinnerung – das Herz zerreißen mußte.
    Die
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