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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Blauen Planeten, inmitten der durchsichtigen Felsen, der farbenprächtigen Pflanzen und Blüten, hatte der Biologe manchmal daran gedacht, was für Augen Bell wohl machen würde, wenn sie jetzt bei ihm wäre. Lydia, die ältere Tochter, nahm alles mit der Abgeklärtheit eines Weisen auf, für den das Leben keine Geheimnisse mehr barg. Aber Bell konnte noch staunen. Sie würde ganz große Augen bekommen vor Begeisterung, alles anfassen, untersuchen, auf ihren Zeichenblättern festhalten wollen. Dabei wäre ihr keine der Skizzen gut genug. Sie würde immer wieder von vorn anfangen und stöhnen, daß sie zuwenig Talent hätte.
    Auf dem Blauen Planeten hatte Dr. Palmes es bedauert, seine Töchter nie in den Weltraum mitnehmen zu können jetzt aber war er froh, sie in Sicherheit zu wissen. Sie und seine Frau. Denn von den vier Männern im Schiff spürte er die Gefahr, die da heraufzog, vielleicht am stärksten. Es war ein Gefühl, für das die Bezeichnung Angst nicht recht zutraf. Der Biologe hatte es sich auf früheren Fahrten abgewöhnt, um seine Person zu fürchten, und er wußte auch, wie gefährlich es war, etwa in Panik zu verfallen. Aber das plötzliche Versagen so verschiedener Apparaturen, die Tatsache, daß der Kommandant und Surkin völlig im dunkeln tappten, beunruhigten ihn mehr, als er es wahrhaben wollte. Die Chlorella-Aggregate waren für die Mannschaft lebensnotwendig.
    Dr. Palmes überlegte, was er tun könnte. Drüben, in ihrer Kabine, hatte der Kommandant die defekte Anlage freigelegt und versuchte den Fehler zu finden. Der Biologe setzte sich zu ihm und beobachtete ihn schweigend. Er sah, wie sich Kerrs Miene immer mehr verdüsterte.
    »Die Chlorella-Algen, Robert, das schlägt in mein Fach, und wenn ich auch weniger von der Technik verstehe als du, könnte ich dir vielleicht doch von Nutzen sein.«
    Der Kommandant schob ihm, ohne ein Wort zu sagen, eines der ausgebauten Teile hin. »Da, die Polykaritplatten… der Regulator, die Scheiben, hinter denen sich die Algen befinden, die Glühdrähte, alles von diesem grauen Belag bedeckt und zerfressen. Die Polykaritplatten, du weißt, was das bedeutet.«
    Ja, Dr. Palmes hatte einen Begriff davon. Polykarit war jenes neue, aus organischen Stoffen hergestellte Material, das seit einigen Jahren erprobt und bei der Konstruktion hochempfindlicher Geräte verwendet wurde. Es galt als absolut zerreiß- und bruchfest, vertrug höchste wie tiefste Temperaturen, war elastisch und unempfindlich gegen jegliche Art von Strahlungen. Da seine Herstellung noch äußerst kostspielig war, wurde es vorläufig nur in kleinen Mengen produziert und in geringem Umfang eingesetzt. Die wichtigsten Instrumente und Aggregate des Falken jedoch bestanden aus Polykarit.
    »Ich wußte nicht, daß auch die Sauerstoffaggregate Polykaritteile besitzen«, sagte der Biologe einigermaßen hilflos.
Kerr zuckte die Achseln. »Ich schon. Aber ich frage mich, woher dieser verdammte Belag stammt. Schon vorhin, am Gravitationsmeßgerät, fiel er mir auf. Ich war mir meiner Sache nicht sicher, doch jetzt gibt es keinen Zweifel mehr. Überall diese graue Schicht, und wenn man sie abkratzt, bildet sie sich sofort von neuem. Eine Art Krebsgeschwür.« Er unterbrach sich und fuhr plötzlich mit leiser Stimme fort: »Es sieht schlimm aus, Erik.«
Diese letzten Worte klangen ratlos, beinahe verzweifelt. Dr. Palmes, der den Kommandanten niemals so hatte sprechen hören, hatte das Bedürfnis, ihn zu trösten. Als ob es darum gegangen wäre! Gleichzeitig verstärkte sich in ihm das Gefühl der Gefahr, ja, erst jetzt begriff er das ganze Ausmaß des Schadens. Jeden Augenblick konnte die zweite Sauerstoffanlage ausfallen. Oder auch die dritte. Wenn es kein Mittel gab, den Zersetzungsprozeß aufzuhalten, waren sie verloren. Ein sonderbares und sinnloses Ende, Die auf dem Saphir würden niemals wissen, was mit ihnen geschehen war, Bell, Lydia und Taja, seine Frau, vielleicht noch nach Jahren auf ihn warten. Die wertvollen Erkenntnisse, die sie auf ihrer Expedition gewonnen hatten, könnten den Menschen nie zugute kommen. Und vielleicht würden nicht einmal sie selbst erfahren, was ihnen eigentlich zugestoßen war.
Dr. Palmes riß sich von seinen Gedanken los. Alles in ihm bäumte sich gegen einen solchen Tod auf. Nein, dachte er, das darf nicht sein. Es muß eine Lösung geben. Wir müssen sofort etwas unternehmen. »Wir müssen den anderen reinen Wein einschenken«, sagte er, und es klang, als würde er einen
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