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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit
Autoren: Charles L Harness
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Obstgarten, meine liebe Keiris, hat mit dem ländlichen Idyll des neunzehnten Jahrhunderts nichts gemein. Beinahe ein ganzes Jahr lang sah ich die Sonne nicht. Während um mich Tausende von Tonnen Äpfel wuchsen, wurde ich mit einem Abfall gefüttert, den keine Ratte anrühren würde. Die wenigen meiner Mitsklaven, die Früchte zu stehlen versuchten, wurden entdeckt und zu Tode gepeitscht. Ich paßte auf. Mein Haß erhielt mich am Leben. Ich konnte warten.“
    „Warten? Worauf?“
    „Auf die Flucht. Wir wechselten einander ab, schmiedeten sorgfältige Pläne und hatten häufig Erfolg. Einen Tag vor dem Termin jedoch, an dem ich an der Reihe gewesen wäre, wurde ich gekauft – und freigelassen.“
    „Welch ein Glück für dich. Von wem?“
    „Auf dem Schein stand von ‚einem unbekannten Auftraggeber’. Es konnte sich jedoch nur um Muir handeln. Er hatte monatelang Pläne gemacht, Geld geborgt und gespart, um mir diese Abschiedsgeste verachtungsvollen Mitleids ins Gesicht zu schleudern.“
    Das kleine Affenwesen spürte die eisige Wildheit in der Stimme des Mannes und rannte furchterfüllt die Jackenärmel bis zum Handrücken hinab. Haze-Gaunt streichelte sein Schoßtierchen mit gekrümmtem Zeigefinger.
    Das einzige Geräusch im Zimmer war die leise, knisternde Berührung von Bürste und schwarzem Haar, als Keiris schweigend mit ihrem Tun fortfuhr. Sie wunderte sich über die wahnsinnige Verbitterung, die durch eine einfache Handlung der Menschlichkeit ausgelöst worden war.
    Haze-Gaunt stellte fest: „Es war nicht zu ertragen. Ich beschloß damals, mein restliches Leben der Vernichtung des Kennicot Muir zu widmen. Ich hätte einen Meuchelmörder anheuern können, aber ich wollte ihn mit eigenen Händen umbringen. In der Zwischenzeit warf ich mich auf die Politik und machte schnell Karriere. Ich wußte die Menschen für meine Ziele einzusetzen. Mein Jahr unter der Erde hatte mich gelehrt, daß man mit Furcht Ergebnisse erreicht.
    Aber selbst in meiner neuen Laufbahn war kein Entkommen vor Muir. An dem Tag, an dem ich zum Kriegsminister ernannt wurde, landete Muir auf dem Mond.“
    „Gewiß“, sagte Keiris und achtete sorgfältig darauf, daß der Sarkasmus aus ihren Worten herausgefiltert wurde, „beschuldigst du ihn nicht, diesen Zufall absichtlich herbeigeführt zu haben?“
    „Was spielt das für eine Rolle, wie es geschah? Der springende Punkt ist, daß es passierte. Und derlei passierte auch weiterhin. Ein paar Jahre später, am Vorabend der Wahlen, die mich zum Kanzler des Kaiserreichs Amerika machten, kehrte Muir von einer Expedition zur Sonne zurück.“
    „Das war sicher eine aufregende Zeit für die Welt.“
    „Es war auch eine aufregende Zeit für Muir. Als wenn die Expedition allein nicht gereicht hätte, die Bevölkerung aufzuwiegeln, verkündete er auch noch eine wichtige Entdeckung. Er hatte eine Methode zur Überwindung der ungeheuren Sonnenschwerkraft durch ständige Synthese der Sonnenmaterie zu einem bemerkenswerten Kernspaltungstreibstoff mittels einer Antigravitationsvorrichtung erfunden. Wiederum ließ ihn die Gesellschaft des Kaiserreichs hochleben – und mein größter politischer Triumph blieb unbeachtet.“
    Keiris staunte nicht über die Verbitterung, die aus diesen Worten klang. Es fiel ihr nur allzu leicht, den Groll zu verstehen, den Haze-Gaunt damals empfunden haben mußte und selbst jetzt noch empfand. Er war genau in dem Augenblick zu einem erfolgreichen Politiker geworden, da Muir zum Volkshelden wurde. Dieser Gegensatz war für ihn nicht schmeichelhaft gewesen.
    „Aber“, fuhr er fort, und seine Augen verengten sich, „meine Geduld trug schließlich Früchte. Es war vor ziemlich genau zehn Jahren. Muir wagte es schließlich, mit mir in einer strikt politischen Sache anderer Meinung zu sein, und da wußte ich, daß ich ihn entweder schnell töten mußte, oder ich würde ständig in seinem Schatten stehen.“
    „Du meinst, du hast ihn …“ – sie sprach das Wort aus, ohne zusammenzuzucken – „… umbringen lassen.“
    „Nein – ich, ich ganz persönlich, mußte es tun.“
    „Aber doch nicht im Duell?“
    „Gewiß nicht.“
    „Ich wußte gar nicht, daß sich Kim je mit Politik abgab“, murmelte Keiris.
    „Er hat es nicht als politische Frage angesehen.“
    „Worum ging es?“
    „Um dies: Nach der Errichtung der Solarstationen bestand Muir darauf, daß das Kaiserreich Amerika hinsichtlich der Verwendung des Muiriums seiner, Muirs, Politik folge.“
    „Und
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