Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit
Autoren: Charles L Harness
Vom Netzwerk:
Keiris mit heimlicher Erheiterung – Sheys Eitelkeit.
    Die Einzelheiten der Attacke und das Entkommen des Diebs entströmten ihm rasch. Offensichtlich hatte sich Sheys Kehle soweit erholt, daß der glatte Fluß seiner Rede nicht behindert wurde. Er beendete seine Erzählung mit dem Ersuchen, der Kanzler möge ihn ein wenig später im Raum des Mikrofilmgehirns treffen.
    „Wenn es sein muß“, stimmte Haze-Gaunt zu und schaltete den Visor aus.
    „Diebe“, sagte die Frau und begann erneut ihr Haar zu brüsten.
    „Verbrecher.“
    Die Gesellschaft der Diebe, überlegte Keiris bei sich, ist so ziemlich die einzige moralische Kraft im Kaiserreich Amerika. Wie seltsam! Wir zerstören unsere Kirchen, und unsere Seelen finden bei Räubern Trost!
    „Ihre Opfer vermelden kaum je eine geistige Erweckung“, erwiderte Haze-Gaunt trocken.
    „Was kaum unerwartet kommt“, entgegnete sie. „Die paar, die ihre nichtigen Verluste beweinen, sind blind für die Erlösung, die den vielen zuteil wird.“
    „Ganz egal, wofür die Gesellschaft ihre Beute verwendet, sie besteht doch nur aus gemeinen Dieben. Vergiß das nicht. Es ist einfach eine Polizeiangelegenheit.“
    „Einfach eine Polizeiangelegenheit! Erst gestern erklärte der Minister für aufrührerische Umtriebe in aller Öffentlichkeit, daß sie, falls sie nicht innerhalb eines Jahrzehnts ausgemerzt würden …“
    „Ich weiß, ich weiß“, sagte Haze-Gaunt ungeduldig beim Versuch, ihr das Wort abzuschneiden.
    Keiris ließ sich nicht unterbrechen: „… falls sie nicht innerhalb eines weiteren Jahrzehnts ausgemerzt würden, die Diebe das gegenwärtige ‘wohltätige’ Gleichgewicht zwischen Freien und Sklaven zerstörten.“
    „Er hat völlig recht.“
    „Vielleicht. Aber erkläre mir eines: Hat mein Mann wirklich die Gesellschaft der Diebe gegründet?“
    „Dein ehemaliger Mann?“
    „Keine Haarspaltereien. Du weißt, was ich meine.“
    „Ja“, stimmte er zu, „ich weiß, was du meinst.“ Einen flüchtigen Augenblick lang schien sich sein Gesicht, wiewohl völlig unbeweglich, in etwas Scheußliches verwandelt zu haben.
    Der Mann schwieg eine Zeitlang. Schließlich sagte er: „Das ist wirklich eine Geschichte. Du kennst das meiste davon genauso gut wie ich.“
    „Möglicherweise weiß ich weniger davon, als du glaubst. Ich weiß, daß du und er als Studenten an der kaiserlichen Universität bittere Feinde wart, daß du glaubtest, er versuche absichtlich, dich zu übertreffen und dich in universitären Wettbewerben zu besiegen. Nach der Promotion schienen alle der Meinung zu sein, seine Forschungen seien um eine Spur brillanter als deine gewesen. Irgendwann zu dieser Zeit war auch von einem Duell die Rede, nicht wahr?“
    Es war Keiris immer ein wenig merkwürdig vorgekommen, daß in einer Kultur, die so unpersönlich wissenschaftlich war wie die gegenwärtige, das Duell mit tödlichen Waffen und einem starren Ritual wieder in Mode gekommen war. Natürlich hatten sich viele Rechtfertigungen für diese Sitte zurechtgelegt. Die offizielle Haltung zum Duell war die der Resignation; natürlich gab es Gesetze gegen das Duell, aber was konnte die Regierung tun, wenn das Volk selbst an diesem lächerlichen Brauch festhielt? Keiris war jedoch bekannt, daß hinter diesem Mäntelchen des gesetzlichen Standpunkts das Duell heimlich begünstigt wurde. Sie hatte gehört, wie sich viele Beamte offen mit ihren Duellen brüsteten und wie sie selbstzufrieden erklärten, daß diese der Aristokratie einen gesunden, kräftigen Geist einimpften. Das Zeitalter der Ritterlichkeit, behaupteten sie, sei zurückgekehrt. Hinter alldem steckte die Überzeugung, auch wenn sie kaum je offen ausgesprochen wurde, daß das Duell für den Fortbestand des Staates notwendig sei. Die Gesellschaft der Diebe hatte das Schwert als grundlegendes Mittel zum Überleben wieder zurückgebracht – als letzte Verteidigung der Tyrannen.
    Auf ihre Frage hatte sie keine Antwort erhalten, daher beharrte sie darauf. „Du hast ihn zum Zweikampf herausgefordert, nicht wahr? Und dann bist du auf ein paar Monate verschwunden.“
    „Ich schoß zuerst – und verfehlte ihn“, sagte Haze-Gaunt kurz. „Muir schoß mit der für ihn charakteristischen unausstehlichen Großzügigkeit in die Luft. Die kaiserliche Polizei hatte alles gesehen, und wir wurden verhaftet. Muir wurde auf Bewährung freigelassen. Ich wurde verurteilt und an einen großen Obsterzeugungsbetrieb verkauft.
    Ein unterirdischer hydroponischer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher