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Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit
Autoren: Charles L Harness
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– kein Dieb stirbt eines natürlichen Todes.
    Plötzlich spürte er auf dem Rücken einen Schlag, der seine schwarze Weste wegriß, und er erkannte, daß ihn das Schockseil, jetzt straff gespannt wie eine Stahlsaite, zum Gebäude zurückgerissen hatte.
    Seine Lungen füllten sich bis zum Bersten mit dem ersten Atemzug, den er während seines Falles getan hatte.
    Er würde leben.
    Sein Sturz wurde allmählich abgebremst. Die Schlinge mußte sich schließlich doch noch um Shey gelegt haben. Er lächelte bei dem Gedanken an den Kampf, der nun hoch oben über ihm vor sich gehen mußte – sechs stämmige Männer, die mit bloßen Händen ein fadendünnes Seil festhielten, damit die Quelle ihres Lebensunterhaltes erhalten blieb. Aber innerhalb von Sekunden würde es einem einfallen, die Schnur zu kappen.
    Er blickte nach unten. Er war nicht so weit gefallen, wie er geglaubt hatte. Nun war es klar, daß er die Viertelsekunden viel zu schnell gezählt hatte. Warum verlief die Zeit angesichts des Todes so langsam?
    Nun stürzte die dunkel beleuchtete Straße herauf, ihm entgegen. Unten wieselten winzige Lichter herum, möglicherweise Panzerautos der kaiserlichen Polizei, bestückt mit semiportablen Kades geringer Reichweite und Granatwerfern. Er war überzeugt davon, daß diese Gebäudefront schon in dem Licht von gut einem halben Dutzend Infrarotscheinwerfern gebadet wurde, und wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis man ihn erfaßt hatte. Er bezweifelte, daß die KP einen direkten Granattreffer auf seinem Körper erzielen konnte, aber die Schockleine war höchst verwundbar. Ein herumfliegender Metallsplitter konnte sie leicht durchtrennen.
    Die Lichter unten waren jetzt erschreckend groß. Alar hob die Hand zum Seilkasten, bereit, den Dezelerator einzuschalten. Rund hundert Fuß über dem Erdboden stieß er den Hebel hinein und verlor bei dem abrupten Abbremsen beinahe das Bewußtsein. Sodann kam er stolpernd und benommen auf die Füße, durchschnitt die Leine und eilte die Straße hinauf, die von der rasch anbrechenden Morgendämmerung kaum erhellt wurde.
    In welche Richtung sollte er sich wenden? Warteten Polizeiautos mit Kadeskanonen schon auf ihn, wenn er um die Ecke bog? Waren alle Straßen abgesperrt?
    Es galt, in den nächsten paar Sekunden mit höchster Präzision zu handeln.
    Von links stach ein Lichtpfeil auf ihn zu, gefolgt vom Stampfen laufender Füße. Er wirbelte erschrocken herum und erblickte eine glitzernde Sänfte, die von acht kräftigen Sklaven auf den Schultern getragen wurde, in deren schwitzenden Gesichtern sich die zunehmende Röte im Osten spiegelte. Eine kaum verständliche Frauenstimme drang bis an seine Ohren, dann war der Tragsessel vorbei.
    Trotz der wachsenden Gefahr hätte er beinahe gelacht. Jetzt, da für alle atomgetriebene Düsenautos verfügbar waren, konnte sich der zechende Adel vom zechenden Bürger nur noch durch die Rückkehr zur Sänfte des Mittelalters absetzen. Das Klappern der Füße verlor sich in der Ferne.
    Dann traf ihn der Schock ihrer Worte. „Die Ecke zur Linken, Dieb.“
    Die Gesellschaft mußte sie gesandt haben. Aber es blieb ihm wirklich keine Wahl. Er schluckte schwer und lief um die Ecke – und hielt inne.
    In drei Polizeiautos schwenkten drei Kadeskanonen herum, um ihn ins Visier zu bekommen. Er hob die Hände hoch und ging langsam auf das Auto zur Linken zu.
    „Nicht schießen!“ rief er. „Ich ergebe mich.“
    Er schluckte vor Erleichterung, als von dem falschen Polizeiauto Dr. Haven mit gezogenem Degen herabstieg und so tat, als ginge er ihm vorsichtig entgegen. In einer Hand hielt er ein Paar Handschellen.
    „Die Belohnung wird auf drei aufgeteilt!“ rief ein kaiserlicher Polizist aus dem mittleren Auto.
    Dr. Haven wandte sich nicht um, hob aber zum Zeichen der Zustimmung die Hand.
    „Nur ruhig, Junge“, flüsterte er Alar zu. „Den Göttern sei Dank, daß du diesen Weg genommen hast. Hast du etwas Blut verloren? Im Auto ist ein Chirurg. Schaffst du es bis zu deiner Vorlesung?“
    „Ich glaube schon. Falls ich aber ohnmächtig werden sollte – die Juwelen sind im Beutel.“
    „Wunderbar. Das sind vierhundert Freie für uns.“ Er packte Alar grob am Gürtel. „Mitkommen, du Abschaum! Du mußt eine Menge Fragen beantworten, bevor du stirbst!“
    Ein paar Minuten später hatte das Auto der Diebe die Begleitung abgeschüttelt, wechselte das Kennzeichen und schoß auf die Universität zu.

 
2
Die Dame und der Tarsioid
     
    Die Frau saß
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