Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann ohne Vergangenheit

Der Mann ohne Vergangenheit

Titel: Der Mann ohne Vergangenheit
Autoren: Charles L Harness
Vom Netzwerk:
ihren Mann – ihren wirklichen Mann – aus.
    „Das läuft doch auf dasselbe hinaus, nicht wahr?“ meinte er. Auf seine Weise war der Hohn in ein Schmunzeln übergegangen.
    Sie hatte recht: Er hatte einen Punkt gemacht und seinen Spaß gehabt. „Warum hast du dir die Mühe gemacht, Sheys Angebot zu erwähnen? Ich weiß, ich kann dir viel zuviel Lust bereiten, als daß du sie für ein bißchen Reichtum mehr eintauschen würdest. Mehr Geld stillt deinen Haß nicht.“
    Die leichte Schürzung seiner Lippen verschwand, und es blieb nur die scharfe Linie seines Mundes. Seine Augen suchten im Spiegel die ihren.
    „Es gibt niemanden mehr, den ich jetzt noch hassen müßte“, erwiderte er.
    Was er sagte, war wahr, das wußte sie, aber es war eine ausweichende Wahrheit. Er brauchte ihren Mann nicht zu hassen, denn er hatte ihn vernichtet. Er brauchte ihn nicht zu hassen, tat es aber immer noch. Sein bitterer Haß und Neid auf die Errungenschaften des Mannes, den sie liebte, war so mächtig wie eh und je. Er würde sich nie löschen lassen. Aus diesem Grunde war sie seine Sklavin. Sie war die Liebe des Mannes gewesen, den er haßte – sie war das Mittel seiner Rache an dem Toten.
    „Das war immer schon wahr“, meinte sie und bot seinem Blick unbeirrt Paroli.
    „Es gibt niemanden“, erwiderte er langsam, „den ich jetzt noch hassen müßte.“ Er betonte das letzte Wort gerade soviel, daß sie seine Gespanntheit merkte. „Du kannst dich der Tatsache nicht verschließen, daß ich dich besitze.“
    Sie antwortete mit voller Absicht nicht. Statt dessen wechselte sie müßig die Bürste von einer Hand in die andere und versuchte, dieser Handlung den Anschein der Auflehnung zu geben. Sie sagte zu sich selbst: Du bildest dir ein, daß ich nicht fliehen kann, daß ich bei dir bleibe, weil mir nichts anderes übrigbleibt. Wie wenig du verstehst, Haze-Gaunt!
    „Eines Tages“, murmelte er, „werde ich dich wirklich an Shey verkaufen.“
    „Das hast du schon öfters gesagt.“
    „Ich möchte dich wissen lassen, daß es mir ernst damit ist.“
    „Laß dich nicht abhalten, wenn du es willst.“
    Er schürzte neuerlich die Lippen. „Werde ich auch nicht. Aber noch nicht. Alles zu seiner Zeit.“
    „Wie du meinst, Bern.“
    Der Televisor summte. Haze-Gaunt beugte sich über ihn, legte den Empfangsschalter um und wurde sofort von einem nervösen Kichern begrüßt. Im Intimbereich des Schlafzimmers besaß der Bildschirm einen von Hand zu bedienenden Knopf, der ständig mit den Fingerspitzen gedrückt werden mußte, damit Sender wie Empfänger ein Bild hatten. Haze-Gaunt drückte mit dem Daumen auf den Knopf. Der Bildschirm blieb dunkel.
    „Ach!“ sagte die Stimme des Anrufers, gefolgt von einem Räuspern. „Bern!“ Es war Shey.
    „Ach so. Graf Shey.“ Haze-Gaunt blickte zu der Frau hin. Die Bürste war ihr in den Schoß gefallen, und als er nach dem Schalter griff, strich sie sich das Kleid glatt. „Vielleicht ruft er an, um sein bereits sehr großzügiges Angebot für dich noch zu erhöhen, Keiris. Aber ich bleibe hart.“
    Keiris sagte nichts darauf. Am anderen Ende gab Shey ein fragendes Grunzen von sich, wahrscheinlich mehr wegen der unerwarteten Begrüßung als aus Verlegenheit. Sie wußte jedoch, welch feiner Zug hinter der Bemerkung von Haze-Gaunt steckte. Sie verfolgte mehr als nur den Zweck, ihr einen weiteren Stachel ins Fleisch zu treiben; damit hatte er Shey zu verstehen gegeben, daß sie anwesend war und daß er sich daher zurückhaltend ausdrücken solle.
    „Also, Shey“, sagte Haze-Gaunt unvermittelt. „Was veranlaßt dich anzurufen?“
    „Ich hatte heute nacht eine unglückselige Begegnung.“
    „Ach, wirklich?“
    „Mit einem Dieb!“ Shey hielt zur Erhöhung der dramatischen Wirkung seiner Worte inne, aber Keiris bemerkte, daß im Gesicht des kaiserlichen Kanzlers kein Muskel zuckte. Seine einzige Reaktion war eine Reihe rascher und grober Streichelbewegungen über das Fell des Tierchens auf seiner Schulter. Das kleine Affenwesen zitterte, die Augen sahen wilder und erschreckter drein als je zuvor.
    „Mir wurde die Kehle zerfetzt“, fuhr Shey fort, als klar wurde, daß Haze-Gaunt nichts dazu sagen würde. „Mein Hausarzt hat sich den ganzen Morgen um mich gekümmert.“ Er seufzte. „Nichts Ernstes, keine interessanten Schmerzen, bloß Heiserkeit. Und natürlich ein paar Bandagen, die mich bloß lächerlich aussehen lassen.“ Das war auch der Grund für den schwarzen Visorschirm, dachte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher