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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen
Autoren: David Morrell
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Bartenjew war fest entschlossen, es voll und ganz zu nutzen.
    »Ich verstehe«, sagte er zu Gonzales, »politische Realitäten. Ich reise ab, wann immer Sie wollen.«
    Gonzales schien sich zu beruhigen, wenn auch nur für einen Augenblick. Jetzt hielt die Limousine vor einem Hotel, dessen modernes Stahl-Glas-Design unangenehm aufdringlich und unspanisch wirkte. Die Soldaten eskortierten das Ehepaar im Eilschritt durch die Eingangshalle zu einem Lift, der sie zum elften Stock brachte.
    Als Gonzales die Tür zur Suite öffnete, Licht machte und die Bartenjews eintreten ließ, klingelte bereits das Telefon. Es gab sogar zwei Apparate – einer stand auf einem Tisch neben dem Sofa, ein zweiter auf einer Bar.
    Gonzales verriegelte die Tür hinter ihnen. Das Telefon klingelte weiter. »Nein, lassen Sie mich abheben«, sagte er, als Bartenjew sich dem Apparat am Sofa näherte, und ging zu dem anderen Telefon. »Hallo.« Er knipste eine Lampe an. »Warum möchten Sie mit ihm sprechen?« Er fixierte Bartenjew. »Einen Augenblick.« Er hielt die Hand über die Sprechmuschel. »Ein Mann, angeblich Journalist. Vielleicht wäre es klug, ein Interview zu geben. Public Relations. Ich höre auf diesem Apparat mit.«
    Bartenjew wandte sich dem Telefon am Sofa zu. Seine Silhouette spiegelte sich im Fenster. »Hallo.«
    »Scher dich zum Teufel, du verdammter Russe.«
    Das Fenster zersplitterte. Bartenjews Frau schrie auf. Eine Kugel durchschlug seinen Kopf, Blut spritzte auf das zerberstende Glas. Er war auf der Stelle tot.

3
 
    Houston, Texas
     
    Die Raumfähre »Atlantis« befand sich seit zwei Tagen im All – ein Bilderbuchstart, alle Systeme arbeiteten normal, und Albert Delaney langweilte sich. Wenn nur etwas los wäre, damit die einförmige Routine ein Ende hatte. Er wünschte sich nicht gerade etwas Aufregendes, denn das konnte gleichbedeutend mit Katastrophe sein. Es durfte für die NASA auf keinen Fall noch mehr Zwischenfälle und schlechte Publicity geben. Ein zweites »Challenger«-Desaster mußte um jeden Preis vermieden werden. Wenn so was noch einmal passierte, dann konnte die NASA wahrscheinlich den Laden dichtmachen, und das bedeutete, daß er ohne Job dastand. Da war ihm Langeweile allemal lieber, als arbeitslos zu sein. Nein, Aufregung wollte er nicht, doch ab und an wäre ihm eine erfreuliche Überraschung willkommen gewesen.
    Schuld an seinem Frust war zum Teil, daß sein Büro am Rande der NASA-Zentrale lag. Abseits vom Kontrollzentrum vermißte er die Motivation zu sinnvollem Einsatz der grauen Zellen, der die dort Beschäftigten wohl beflügelte. Außerdem mußte sogar er zugeben, daß seine Spezialgebiete Kartographie, Geographie und Meteorologie, verglichen mit der Erforschung des Alls, geisttötend waren. Wenn er wenigstens Gelegenheit gehabt hätte, Aufnahmen von neuentdeckten Saturnringen oder Jupitermonden zu studieren. Nein, er mußte Fotos von irdischen Gebieten prüfen, von Gebieten, die er in- und auswendig kannte. Obwohl diese Bilder schließlich an andere Regierungsstellen weitergereicht wurden, war er für die erste Bewertung zuständig – für den Fall, daß es was Ungewöhnliches zu sehen gab, etwas, womit die NASA für sich Reklame machen konnte.
    Die Raumfähre hatte diesmal den Auftrag, über dem Karibischen Meer einen Wettersatelliten auszusetzen, eine Reihe von Wetterbeobachtungen und Experimenten durchzuführen und Fotos zurückzufunken. Das Bild, das Delaney gerade vorlag, zeigte einen Teil der mexikanischen Halbinsel Yucatán. Seit mehreren Jahren wurden die Palmen dort von Palmbrand befallen, und Delaney sollte nun feststellen, wie weit sich die Krankheit ausgebreitet hatte, was leicht daran zu erkennen war, daß die kahlen Bäume auf den Fotos ein auffälliges Muster bildeten. Der Brand hatte jedenfalls weit um sich gegriffen, wie ein Vergleich mit Aufnahmen des Vorjahres bewies.
    Plötzlich störte ihn etwas. Er hatte das Gefühl, daß etwas nicht stimmte. Er legte die Aufnahme beiseite und griff noch einmal zu der vorher bearbeiteten. Da, dieses kleine Gebiet in der Ecke unten links. Die Schatten zwischen den Palmen … Was hatten die dort zu suchen? Sie waren wie perfekte Dreiecke und Quadrate geformt, aber so etwas gab es doch nicht in der Natur. Nein, sie konnten nur von Sonnenlicht verursacht werden, das auf bestimmte Objekte, auf große, hohe Objekte traf. Im allgemeinen waren Schlagschatten nichts Geheimnisvolles. Hügel, zum Beispiel, waren immer als Schatten zu erkennen.
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