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Der Mann mit den hundert Namen

Der Mann mit den hundert Namen

Titel: Der Mann mit den hundert Namen
Autoren: David Morrell
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Sie einen Arzt. Professor Mill … Ich war gerade bei ihm … Ich glaube, er hat einen Herzanfall.«

2
 
    Guatemala City
     
    Trotz der Reise von sechsunddreißig Stunden und seines Alters von vierundsechzig Jahren war Nikolai Petrowitsch Bartenjew energiegeladen und aufgeregt. Er und seine Frau waren auf Einladung der neuen guatemaltekischen Regierung von Leningrad, pardon, von St. Petersburg über Frankfurt und Dallas nach Guatemala gekommen. Ohne das Ende des kalten Krieges wäre die Reise nicht möglich gewesen. Nach vierzigjähriger Unterbrechung hatte Guatemala erst vor kurzem die diplomatischen Beziehungen zu Rußland wiederaufgenommen, und das russische Ausreisevisum war mit erstaunlicher Schnelligkeit ausgestellt worden. Fast sein ganzes Leben lang beherrschte Bartenjew ein einziger Traum: nach Guatemala zu reisen. Nicht weil er unbedingt Rußland den Rücken kehren wollte, sondern weil Guatemala ihn in seinen Bann geschlagen hatte. Aber immer wieder war sein Reiseantrag abgelehnt worden.
    Die Boeing 727 stieß durch die Wolken an Bergen vorbei nach unten und näherte sich einer Stadt, die weit auseinandergezogen in einem Tal lag. Die Lichter von Guatemala City glitzerten. Verzaubert blickte Bartenjew aus dem Fenster, sein Herz klopfte vor Aufregung wie bei einem Kind. Seit seinem achtzehnten Lebensjahr, seit er zum ersten Mal Fotos der Maya-Pyramiden von Tikal in Guatemala gesehen hatte, fühlte er sich auf unerklärliche Weise mit dem fast ausgestorbenen Volk verbunden, das sie gebaut hatte. Ihm war, als sei er dabei, als sei er einer von ihnen gewesen, als hätte er mit seiner Kraft und seinem Schweiß dazu beigetragen, die herrlichen Pyramiden und Tempel zu errichten. Und ihn faszinierten die Maya-Hieroglyphen. Heute, viele Jahre später, war er einer der fünf bedeutendsten Kenner der altamerikanischen Kultur, ohne je einen Fuß in eine Maya-Ruine gesetzt zu haben, ohne auf eine Pyramide geklettert zu sein und ohne einem aus den Handschriften vertrauten Maya-Antlitz mit Hakennase, hohen Wangenknochen und niedriger Stirn von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden zu haben. Die Sonne begann hinter die Berge im Westen zu sinken. Die Dunkelheit wurde undurchdringlich und nur von den aufblitzenden Lichtern des Flughafenterminals durchbohrt. Voll nervöser Erwartung löste Bartenjew den Sicherheitsgurt, griff nach seiner Aktentasche und folgte seiner Frau und den anderen Passagieren zum Ausgang. Als er die Gangway zum Rollfeld hinunterstieg, sog er die trockene, kühle Gebirgsluft ein und ließ die Bedeutung des Augenblicks auf sich einwirken.
    Kaum hatte er den Terminal betreten, löste sich ein fahriger, dünnlippiger Mann in dunklem Anzug von einer Gruppe uniformierter Beamter und kam auf ihn zu. »Professor Bartenjew?«
    »Ja.«
    »Ich bin Hector Gonzales vom hiesigen Nationalen Archäologischen Museum.«
    »Ja, ich habe Ihre Briefe erhalten.« Sie sprachen spanisch. »Das ist meine Frau Elena.«
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Señora. Wenn Sie mir bitte folgen wollen …«
    Im nächsten Augenblick stand Bartenjew vor finsteren Soldaten mit Schnellfeuergewehren und wich unwillkürlich zurück. »Stimmt etwas nicht? Gibt es Probleme?«
    »Nein, nein«, sagte Gonzales übereifrig. »Nur Komplikationen bei der Unterbringung. Nichts Ernsthaftes. Hier entlang. Durch diese Tür und diesen Gang entlang. Beeilen Sie sich, oder wir kommen zu spät.«
    »Zu spät?« Bartenjew schüttelte den Kopf, als er und seine Frau durch den Korridor eilten. »Zu spät wozu? Und unser Gepäck?«
    »Das wird erledigt. Das Gepäck wird in Ihr Hotel gebracht. Sie brauchen die Einwanderungs- und Zollkontrolle nicht zu passieren.«
    Sie kamen zu einem Parkplatz, wo eine schwarze Limousine und zwei mit bewaffneten Soldaten besetzte Jeeps warteten, einer vor dem Wagen, einer dahinter.
    »Ich bestehe darauf zu erfahren, was hier vorgeht. In Ihren Briefen erweckten Sie den Eindruck, daß ich hier willkommen sein würde. Ich fühle mich aber eher als Gefangener.«
    »Sie müssen verstehen, Professor Bartenjew, die Lage in Guatemala ist verworren. Bei uns ist es politisch gesehen immer unruhig. Diese Soldaten hier dienen Ihrem Schutz.«
    »Warum brauche ich Schutz?«
    »Bitte, steigen Sie ein, wir können uns während der Fahrt darüber unterhalten.«
    Kaum hatte einer der Begleiter die Wagentür hinter den Bartenjews, Gonzales und zwei Beamten geschlossen, raste die Limousine davon, flankiert von den beiden Jeeps.
    »Wie
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