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Das Mädchen-Buch

Das Mädchen-Buch

Titel: Das Mädchen-Buch
Autoren: Elisabeth Raffauf
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Kap01

    Mädchen sein
    W ir haben uns ein Mädchen gewünscht. Für meinen Mann war es klar, dass er eine Tochter kriegen würde, weil in seiner Familie hauptsächlich Mädchen geboren werden. Er hat fünf Schwestern und er sagte: »Mädchen kenne ich.«
    Ich hatte auch das Gefühl: »Mädchen kenne ich«, weil ich selbst mal eines war. Bei der Frauenärztin wollten wir das Geschlecht unseres Kindes nicht wissen. Wir wollten uns überraschen lassen: »Hauptsache gesund.« Vorher schon das Geschlecht erfahren fanden wir irgendwie zu abgeklärt, zu wenig geheimnisvoll, und außerdem: Wir ahnten ja schon, was es werden wird.
    Als Jana dann da war, war es wie die selbstverständliche Erfüllung einer Vorhersehung. Und: Wir waren überglücklich. Ich weiß noch, wie ich mich kaum getraut habe, dieses zerbrechliche Wesen in seiner Ruhe zu stören, aus seinem Bettchen zu nehmen, und wie mich das Gefühl erfasste: »Wenn diesem so süßen Geschöpf auch nur einer ein Haar krümmt, ich werde ihn vierteilen.«
    Wenn meine Mutter Geschichten aus meiner Kindheit erzählt, dann kommt sie häufig auf die Geschichte von dem fei | 10 | nen Kleidchen, um zu illustrieren, dass ich auch mit drei Jahren schon meinen Willen durchzusetzen wusste: Es war ein feierlicher Anlass und ich sollte entsprechend feierlich angezogen werden. Ein feines Kleidchen. Aber das gefiel mir nicht. »Ich will kein feines Kleidchen anziehen«, hab ich der Aufforderung meiner Mutter, mich schick zu machen, widersprochen. »Was willst du denn anziehen?«, hat sie gefragt und ich erwiderte: »Texashose und Pullover.« Ich musste dann doch das feine Kleidchen anziehen, und kaum waren wir losgegangen, habe ich die nächste Pfütze genutzt, um das feine Kleidchen in ein »unfeines« zu verwandeln. Texashose und Pullover hatten gewonnen.
    Es gab Zeiten, da wollte ich ein Junge sein. Vielleicht hatte es mit meinem älteren Bruder zu tun, der, von vielen Frauen in der Familie umringt, der Hahn im Korb war. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass mein Vater in gewisser Weise Unterschiede machte zwischen Mädchen und Jungen. Mädchen sollten einen guten Beruf haben, aber nur halbtags, denn sie sollten später noch genügend Zeit für Haushalt und Familie haben. Jungs hingegen mussten später für die Familie sorgen. Sie brauchen einen vollen Beruf, in dem sie aufgehen.
    Jana – unsere Prinzessin – wollte nie ein Junge sein. Sie ist gerne ein Mädchen. Sie interessiert sich für Mode, näht sich viele Kleider selbst, spielt Querflöte und achtet auf ihr – weibliches – Äußeres. Auf die Frage, ob sie mal eine Zeit hatte, in der sie gern ein Junge gewesen wäre, antwortet sie, ohne lange nachzudenken: »Ich bin froh, dass ich kein Junge bin. Man muss immer cool sein und einen Check geben. Man muss den Gentleman spielen, immer den ersten Schritt tun, soll nicht weinen und nichts darf wehtun. Außerdem würden mir als Jungen die Mädchengespräche fehlen.« | 11 |
Mädchen sind verschieden
    Als ich anfing, mir über dieses Buch Gedanken zu machen, und mich mit Fragen beschäftigte, wie Mädchen heute eigentlich sind, was sie machen, wie sie leben und was sie beschäftigt, habe ich an die Mädchen gedacht, die ich kenne, an meine Tochter und ihre Freundinnen, Mädchen aus der Nachbarschaft, aus dem näheren und weiteren Bekanntenkreis, aus den Mädchengruppen, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Lea Schwarzer leite, und es fiel mir schwer, eine allgemeine Formel für Mädchen zu finden. Sie sind verschieden: Da gibt es die kleinen Mädchen mit langen, blonden Haaren, die die Farbe Pink lieben und sich ein Pferd wünschen, Da gibt es ältere, die in der Jugendgruppe engagiert sind, es gibt die Punkigen mit Ringen im Ohr oder in der Oberlippe. Es gibt die modebewussten, die dreimal in der Woche bei H&M shoppen gehen, die Dicken, die Dünnen, die mit Freund, die ohne, die Chat-Königinnen, die, die um Freundschaften ringen, die Zurückgezogenen, die Forschen, die Lauten, die Leisen, die Musikerinnen, die Clueso- und die Hannah-Montana-Fans, die Ballettbegeisterten, die Behüteten und die, die mit 13 schon »alles« kennen. Es gibt auch die, die kurze Haare tragen, am liebsten Fußball spielen und ihre Freunde und Lehrer anweisen, sie mit einem Jungennamen anzusprechen.
    Dann habe ich Mädchen und Jungen der achten Klasse einer Gesamtschule gefragt, wie Mädchen sind. Ihre spontanen Antworten geben einen kleinen Eindruck von den verschiedenen Seiten, die sie
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