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Das Mädchen-Buch

Das Mädchen-Buch

Titel: Das Mädchen-Buch
Autoren: Elisabeth Raffauf
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Erzählungen anderer. Manchmal führen sie zu Fehlannahmen. Drei große Irrtümer, Mädchen betreffend, halten sich hartnäckig: | 19 |
1.  Mädchen haben immer früher Sex
    Manche Eltern sind sehr besorgt über die Entwicklung ihrer Töchter. Was können wir wann erlauben? Wie können wir noch Grenzen setzen? Wie können wir verhindern, dass sie schon so früh Sex haben? Nach einem Vortrag, den ich zum Thema »Pubertät« gehalten habe, fragte mich eine Mutter: »Was soll ich machen, wenn meine 12-jährige Tochter einen Freund hat?« Auf meine Rückfrage: »Was möchten Sie machen?«, kam die klare Antwort: »Ich finde das zu früh.« Mein Vorschlag war, dass sie sich den Freund genauer anguckt, ihn nach Hause einlädt, ihn willkommen heißt, wenn die Tochter ihn mitbringt. | 20 |
    Können Sie sich offen halten für die Freunde Ihrer Töchter? Können Sie, bevor die Ängste und Sorgen riesig werden, bevor Sie sich in den düstersten Farben ausmalen, wie Ihre Tochter »auf die schiefe Bahn gerät«, dass sie zu früh Sex hat, sich Ihrem Einfluss entzieht, sich mit »falschen Freunden« umgibt, erst mal nur genau hinschauen, wer da zur Tür hereinkommt, wer da mit am Tisch sitzt? Was ist es für ein Junge, für den sie sich interessiert? Wie alt ist er? Welche Vorlieben hat er? Was macht er? Wie weit entwickelt ist er? Wie ist die Zuneigung zwischen Ihrer Tochter und dem Jungen? Sie mag ihn offenbar gern und möchte mehr mit ihm zu tun haben. Vielleicht hat sie ihn auch zum Freund, weil sie erwachsener sein möchte, mitreden, wenn ihre Freundinnen sich über Jungs unterhalten. Die Mutter, die mich an dem Abend gefragt hat, war sehr skeptisch. Sie hatte Angst, dass ihre Tochter ihr entgleiten könnte, dass sie sich zu früh an einen Jungen bindet und nicht mehr Kind ist.
    Eine andere Mutter, ihre Tochter ist dreizehn, reagiert auf die Verkündung ihrer Tochter, sie habe jetzt einen Freund, damit, dass sie mit dem Mädchen sofort zum Frauenarzt fährt und ihr die Pille verschreiben lässt. In der Elterngruppe fragt sie besorgt: »Und wie kann ich jetzt dafür sorgen, dass sie die Pille auch nimmt?« Die anderen Eltern und ich fragen zurück: Wie weit sind denn die beiden in ihrer Annäherung? Haben sie sich schon mal geküsst? Haben sie schon mal Händchen gehalten? Die Mutter denkt nach. Auf all diese Fragen weiß sie eigentlich keine Antwort. Den Jungen, der offenbar seit einer Woche das Herz ihrer Tochter erobert hat, hat sie einmal kurz gesehen. Aber sie nimmt die Fragen mit nach Hause. In der nächsten Woche hat sich die Sache mit dem Freund erledigt. Die beiden sind nicht mehr zusammen. Und zum Küssen war wohl noch keine Zeit gewesen.
    Mir fällt bei dem Thema »Freunde der Kinder« immer meine Tante Josi ein. Sie hatte einen Sohn und zwei Töchter, und sie | 21 | konnte gut backen. Ihre beiden Töchter waren sehr hübsch. Alle ihre Freunde durften sie mit nach Hause bringen. Tante Josi backte Kuchen und kochte Kaffee. Da saßen sie dann, die langhaarigen, mit Lederjacke gekleideten Jungs am weiß gedeckten Tisch und aßen Sahnetorte. Und: Tante Josi wusste Bescheid. Sie erfuhr, mit wem ihre Kinder es zu tun hatten, hörte zu, wie sie dachten und was sie beschäftigte. Alle Freunde mochten sie und fühlten sich willkommen. Tante Josi war einfach schlau. Sie wusste, dass sie nicht wirklich beeinflussen konnte, mit wem ihre Kinder befreundet waren. Aber indem sie Kontakt herstellte, hatte sie die Möglichkeit, zu hören, was sie beschäftigte, und konnte ihre Meinung sagen, auch wenn sie anders war als die der Jugendlichen. Sie nahm teil und konnte einschätzen, mit wem ihre Kinder zusammen waren – ohne sich dabei auf ihre Stufe zu stellen. Gleichzeitig signalisierte sie Respekt vor der Wahl ihrer Freundschaften. Zu mir sagte sie einmal: »Man muss zu den Freunden der Kinder fast noch netter sein als zu den eigenen Kindern.«
    Die Sorge, dass die Mädchen zu früh groß werden, dass sie unfreiwillig oder ungeschützt ihren ersten Sex haben, kann ich sehr gut verstehen. Aber meistens ist sie mehr oder weniger unbegründet und stimmt mit der Wirklichkeit heutiger Mädchen weniger überein als noch zu Jugendzeiten der heutigen Eltern. Denn Tatsache ist: Mädchen haben heute später Sex als noch vor ein paar Jahren.
    Erster Sex
    Die meisten Mädchen in Deutschland, erleben ihren ersten Sex mit 16 Jahren. Bei den deutschen Mädchen sind es 39 %, bei den Mädchen mit Migrationshintergrund 51 %. Jedes dritte deutsche
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