Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
Vom Netzwerk:
Tag für Tag unter Beweis gestellt werden. Freiheit ist eine Haltung, kein Selbstläufer«, das hatte mein Vater immer wieder betont. Erfahrungen, auch aus der Naivität seiner jungen Jahre. Gehört habe ich es oft, begriffen erst in der letzten Zeit. - Erwachsenwerden …
    Nun also wird Österreich frei. Wir haben alle gefeiert, aber ob »immerwährende Neutralität« das richtige Aushängeschild für ein Land ist? Sich aus allem herauszuhalten und nur sein eigenes Süppchen zu kochen, scheint mir feige zu sein und unausgegoren, wenig dazu geeignet, Profil zu zeigen. Gerade in Zeiten wie diesen, gerade jetzt, da es diese Chance bekommt. Nicht noch einmal Spielball der anderen sein. Sich nicht noch einmal zu verstecken suchen vor der Gewalttätigkeit der Geschichte in vermeintlicher Machtlosigkeit. Nicht noch einmal den Weg des geringsten Widerstandes gehen, sondern aufstehen und Stellung beziehen, für
das Gute eintreten, das scheint mir der Weg zu sein, den ein freies Land gehen sollte. Jugendlicher Heißsporn.
    »Haltung beziehen, darauf kommt es an im Leben«, beginne ich eine Diskussion. »›Immerwährende Neutralität‹, was heißt denn das? - ›Immerwährende Feigheit‹ vielleicht? Auf der richtigen Seite stehen. Auf der Seite des Guten. Und wenn es nötig ist, auch bereit sein zu kämpfen, anzuecken, für die Sache einzutreten, für die man steht. Nur so kann man sich Achtung erwerben und Profil.«
    Der romantisch-naive Träumer in mir schlägt wieder einmal wilde Purzelbäume, auch gegen die Machtlosigkeit, die ich in meinem Leben täglich erfahre. Die wirkliche Freiheit, die wird einem nicht verliehen, die muß man sich erkämpfen, das habe ich bereits gelernt. Freiheit ist immer auch ein Stück weit Kampf um das eigene Gesicht, um Anerkennung, um den eigenen Weg, denke ich angesichts meines eigenen Lebens. Die Autonomie muß erkämpft und unter Beweis gestellt werden.
    Bruno Geiger, unser Bassist, sieht das ganz anders. Er ist der mit Abstand solideste von uns vieren. Im Hauptberuf macht er irgendwas mit Versicherungen. Was genau, weiß ich nicht. Er hat’s mir mehrmals erklärt. Vergebliche Liebesmüh. Ist einfach nicht meine Welt. Er, der sonst stets freundlich und zurückhaltend, möglichst immer charmant und höflich ist, gerät bei meinen Worten in Rage. Seine ohnehin schon etwas rötliche Gesichtsfarbe verfärbt sich dunkelrot und tritt in einen sehenswerten Kontrast mit seinen roten Haaren:
    »Neutralität, das ist doch das einzige, was zählt!« ereifert er sich. »Österreich muß unabhängig bleiben, für alle Zeiten! Nie wieder dürfen wir uns einem Militärbündnis anschließen! Hast du denn nicht gesehen, wohin das führt!? Du hast das doch miterlebt! Das Bekenntnis dieses Landes muß der Frieden sein, die Diplomatie, die Unbestechlichkeit. Nur so können wir ein Vorbild sein. Das ist die einzig sichere Rolle für dieses Land, die einzige Lehre, die wir aus der jüngsten Geschichte ziehen können. Unsere einzige Chance.«
    »Sicherheit, Sicherheit …«, höhne ich, um ihn zu provozieren. »Es muß doch schließlich auch noch etwas anderes geben als deine Polizzen! Man kann sich doch nicht gegen alles versichern im
Leben! Das ist doch feige! Was haben denn die Amerikaner gemacht!? - Die sind aufgestanden und haben gesagt: ›So geht’s nicht!‹ und haben für die Sache gekämpft! Was, wenn sie das nicht getan hätten?«
    »Woher willst du denn wissen, was richtig und was falsch ist, wofür es sich zu kämpfen lohnt?« gibt Bruno zurück. »Die Menschen sind doch verführbar! Nein, nein: Neutralität. Nur so geht’s! Nur so können wir ein Sicherheitsfaktor sein. Nur so kann man uns trauen. Neutralität, das ist unsere Freiheit! Wer das in diesen Zeiten nicht erkennt, ist blind - oder schlimmeres!«
    Klaus Behmel, unser Gitarrist, der einzige Akademiker unter uns, Chemiestudent in Graz, ist die Diskussion sichtlich leid und bleibt schweigend einige Schritte zurück. Wahrscheinlich hat er solche Diskussionen an der Uni schon so oft miterlebt, daß er sie nicht mehr hören kann. Es ist das beherrschende politische Thema der Zeit. Er blickt erschreckt auf, als er den scharfen Ton hört, der einen handfesten Streit zwischen Bruno und mir nach sich ziehen könnte.
    Buddy, der bis jetzt ebenfalls geschwiegen hatte, versucht mit Hilfe seiner natürlichen Autorität als der älteste von uns allen zu vermitteln. Mit Bestimmtheit fällt er mir ins Wort und wechselt das Thema:
    »Schluß jetzt mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher