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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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Sie sehr gern noch einmal auf Ihrem Fagott spielen hören«, hatte Heinrich Bockelmann geschrieben. Das war eine Verpflichtung. Daran fühlte er sich gebunden, über den Tod hinaus. Das war stärker als die Verunsicherung.
    Der alte Mann betrachtet den Namen, als ließe sich in ihm eine Antwort finden. Er sieht die Daten: 28. Mai 1870 Osternburg -
7. Februar 1945 Meran. Er rechnet nach: Heinrich Bockelmann wurde nicht einmal 75 Jahre alt. Das ist ein viel zu kurzes Leben für so einen Mann. Dann stutzt er: 28. Mai, das ist heute - der Jahrestag seiner Flucht. Es war Heinrich Bockelmanns Geburtstag. Ein seltsames Schicksal hat die beiden Männer verbunden. Doch als wäre das nicht genug, hat eine merkwürdige Fügung, ein unbestimmbarer Zufall dem alten Mann ausgerechnet an Heinrich Bockelmanns Geburtstag die Freiheit geschenkt. Es war Heinrich Bockelmanns Geburtstag, den der alte Mann seit dreißig Jahren als seinen eigenen Geburtstag, den Geburtstag seiner Freiheit feierte.
    Er setzt das Fagott an die Lippen. Leicht vorgebeugt, ein seltsames Lächeln auf seinem Gesicht steht er mit geschlossenen Augen an Heinrichs Grab, seinen zerknitterten Zylinder auf dem Kopf und seinen blauen Gehrock mit den rotumfaßten Knöpfen über seinem weißen Hemd. Er steht und spielt die ersten Töne, die noch etwas unsicher klingen, bis er die Ruhe in sich findet, die alte Vertrautheit zu seinem Instrument, eins wird mit sich - und mit seinem Leben.
    »Kalinka - Kalinka …«, erklingt es leise, geheimnisvoll über den Friedhof. Die Jahre gleiten an ihm vorbei. Der Weihnachtsmarkt in Bremen, 1891, vor 64 Jahren, damals war er noch ein junger Mann gewesen. Dann Rußland, die Zeiten als Bettler, der Mann in der Bank, Kropotkin, mit dem großen Leberfleck auf der linken Wange, die Maxim Gorkij, die Flucht. Plötzlich verschmilzt das ganze Leben zu einem einzigen Klang, einer einzigen Melodie, als wäre sie eine Antwort auf all die ungeklärten Fragen und Sehnsüchte des Lebens. Es gibt nur noch das Jetzt und Hier, den Augenblick, kein Gestern und kein Morgen.
    Der alte Mann steht im Dunst der Morgendämmerung, ein ruhiges Lächeln auf seinem Gesicht. Der Gehrock weht im leichten Wind, die Morgennebel hüllen ihn ein, scheinen ihn zu verschlingen. Die Melodie trägt weithin, wird leiser, verhallt und liegt doch noch lange wie ein friedlicher Klang über dem langsam erwachenden Tag.

Dieses Buch wurde geschrieben von September 1998 bis Mai 2004 in:
     
    Zürich, Wien, Kärnten,
am Bodensee, an der Algarve,
in München, Kitzbühel,
Moskau, St. Petersburg,
Lissabon, Budapest, New York,
Meran, Interlaken, Bad Ragaz, Luzern,
Berlin, Frankfurt, Hamburg,
Nassau/Bahamas und Barendorf bei Lüneburg

Wir danken:
    Prof. Dr. Thomas Druyen, Düsseldorf für seinen unerschütterlichen Glauben an dieses Projekt, zahlreiche kreative und zielführende Diskussionen und das Lösen so mancher dramaturgischer Knoten
    Michael Hanika , Barendorf und Berlin für die Hilfe bei vielen komplizierten Recherchen und sein enormes historisches, militär- und sprachgeschichtliches Wissen, das uns entscheidende Hinweise gegeben hat
    Dr. Andrej Bockelmann , Köln und Bremen für Informationen, Recherchen und das Brückenbauen innerhalb der Familie
     
    Dank an die Familie für Gespräche, zur Verfügung gestellte Bilder, Tagebücher, Dokumente und jede Form von Unterstützung in der Vergangenheit und heute:
    Erwin und Lilo Bockelmann , Hamburg †
    Rudolf (»Rudi«) und Käthe Bockelmann, Ottmanach †
    Werner und Rita Bockelmann, Hamburg, Lüneburg, Frankfurt und Köln †
    Gert Bockelmann, Barendorf †
    Dr. Johann (»Johnny«) Bockelmann , Frankfurt †
    Hilde Bockelmann , Frankfurt
    Elke Bockelmann , Barendorf
    Maria Bockelmann , Bremen
    John (»Joe«) und Christa Bockelmann , Wien
    Manfred und Maria Bockelmann , Ottmanach und München
    Thomas Bockelmann, Intendant des Staatstheaters Kassel
    Wolf-Dieter Bockelmann , Hamburg
    Peter Bockelmann , Hamburg
    Corinna Jürgens-Bockelmann , Düsseldorf und Zürich
    Panja Jürgens-Bockelmann, New York, Paris, Zürich
    John Jürgens-Bockelmann und Hayah Bockelmann , München
    Jenny Jürgens-Bockelmann , Düsseldorf
    Sonja Jürgens , New York und Berlin
     
    Für historische und zeitgeschichtliche Beratung, Recherchen und Information:
    Dr. habil. Jurij Petrov , Historiker, Russische Akademie der Wissenschaften

     
    Irina und Mascha Scherbakowa , Moskau
    Susanne Scholl , ORF Moskau
    Prof. Dr. Stefan Karner , Leiter des Ludwig
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