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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton
Autoren: Carter Brown
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an.
    »Du hast mich heute früh
erwischt, als ich nicht aufgepaßt habe, du Strolch«, flüsterte er grimmig.
»Aber es war dein Fehler, wenn du gedacht hast, deswegen könntest du nun mit
Mr. Harvey Schlitten fahren. Mr. Harvey ist jemand in dieser Stadt, und ich
glaube, ich bin ihm einen Gefallen schuldig.«
    Ich seufzte gelangweilt und sah
Harvey an. »Warum lassen Sie sich nicht einen Plattenspieler ins Zimmer
stellen, Earl? Dann könnten Sie manchmal Musik hören statt dieses ewige
Geschwafel. Was Sie auch auf dem Kerbholz haben mögen, nichts kann so
schwerwiegend sein, daß Sie Benny dafür verdient hätten — so ein schlimmes
Verbrechen gibt’s gar nicht.«
    »Jetzt reicht’s mir aber
wirklich, Boyd!« sagte Benny mit geschwollener Zunge. Er hob lässig den rechten
Arm, und die Klinge schien ihm direkt in die Hand zu hüpfen. Möglicherweise
hatte ihm Marge im »Liebestunnel« also doch etwas beigebracht. Ich warf mich
zur Seite, und eine Sekunde darauf steckte das Messer im Lederpolster des
Sessels, dort, wo zuvor meine Nieren gewesen waren.
    Benny benötigte einen
Augenblick, um das Messer wieder aus der dicken Polsterung zu reißen, und das
gab mir Zeit, die .38er zu ziehen. Ich hieb ihm den Lauf aufs Handgelenk, das
Messer fiel ihm aus den Fingern, und er begann zu schreien.
    Ich sah Harvey an und deutete
mit dem vorderen Ende der .38er auf ihn. Er zuckte ein bißchen.
    »Jetzt den Schlüssel, Earl«,
sagte ich.
    »Selbstverständlich, Boyd«,
sagte er hastig. Er fummelte in seiner Hosentasche herum, fand den Schlüssel
und ließ ihn auf die Tischplatte fallen. Ich hob ihn auf und steckte die .38er
wieder an ihren Platz.
    Earl sah Benny an, dann mich.
    »Ich bin ganz froh, daß Sie’s
ihm richtig gegeben haben.« Er berührte das weiße Pflaster auf seiner Nase
behutsam mit einem Finger. »Jetzt ist mir ein bißchen wohler.«
    »Das Leben in Manhattan hat ihn
verweichlicht, Earl«, sagte ich. »Ihm fehlt körperliche Arbeit.«
    »Ich weiß schon, was ihm
fehlt«, sagte Harvey knapp. »Und ich werde dafür sorgen, daß er’s bekommt.«
    Ich verließ sein Büro, und das
Wunder geschah — ich fand im Regen ein leeres Taxi. Das Schließfach im Grand
Central enthielt eine Diplomatenaktentasche. Ich warf einen raschen Blick
hinein und sah einen dicken Umschlag mit der maschinegeschriebenen Aufschrift »Salome«. Jemand in Harveys Betrieb schien demnach auf Ordnung zu
halten. Ich überlegte, ob das wohl Marge gewesen sei.
     
    Um Viertel nach fünf langte ich
wieder in meinem eigenen Büro an. Fran Jordan rüstete gerade zum Aufbruch,
indem sie mit einem Lippenstift letzte Hand an die etwas unwirsch geschürzte
Unterlippe legte.
    »Willkommen daheim«, sprach sie
und lächelte. »Wie war’s im Krankenhaus?«
    »Du hast ausgezeichnete Arbeit
geleistet, Fran«, sagte ich wohlwollend. »Die Schwester hat mir aus der Hand
gefressen, nachdem du ihr die gesetzlichen Vorschriften erklärt hast. Ich habe
Marge Harvey gesprochen und erreicht, was ich von ihr wollte.« Ich runzelte
leicht die Stirn, weil mir die Bemerkung der Schwester bezüglich der »älteren
Herren« wieder einfiel.
    »Fran...« Ich richtete das
Profil sorgfältig und setzte ihm ein unbeschwertes, jungenhaftes Lächeln auf.
»Erinnere ich dich an jemand aus deiner Familie — vielleicht an deinen Vater.
Würdest du mich in deinem Sprachgebrauch unter die >älteren Herren<
einsortieren?«
    »Oh, das meinst du«,
sagte Fran beiläufig. »Ich kam am Telefon erst nicht so gut mit ihr zurecht,
mit all diesem juristischen Zeug, das ich selbst nicht verstehe. Aber da es dir
doch so wichtig war, dort reinzukommen, durfte ich es dir ja nicht vermasseln.
Also tat ich ganz vertraulich, von Frau zu Frau, und machte ihr weis , daß ich erst seit einem halben Jahr im Büro meines
Vaters arbeite — und es sei einzig und allein mein Fehler, daß die Dokumente
nicht schon vor einer Woche unterschrieben wurden.«
    Ich fühlte mich plötzlich
wieder viel besser. »Hast du ihr gesagt, sie solle nach dem jugendlichsten
Vater Ausschau halten, den sie je gesehen hat?«
    »Ich habe ihr gesagt, sie solle
auf einen Mann achten, der seine Bürstenhaare gefärbt hat und am Haaransatz
kleine weiße Narben trägt, dort, wo sein Gesicht schon vier- oder fünfmal
geliftet worden ist«, verkündete sie heiter. »Sollen wir das Thema wechseln?«
    »Genehmigt«, sagte ich. »Ist
sonst etwas Aufregendes passiert? Hat uns vielleicht jemand Geld geschickt?«
    »Miss Lynn hat
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