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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton
Autoren: Carter Brown
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hob erneut die Faust, aber mitten in der Luft blieb sie mir hängen.
    Die Leine fiel aus Donnas Hand,
sie schwankte einen Augenblick hin und her, und dann fiel sie im Zeitlupentempo
vornüber auf den Teppich, wo sie reglos liegenblieb.
    Helen starrte lange auf sie
hinab, dann hob sie forschend den Kopf.
    »Sie kommt schon wieder zu
sich«, sagte ich munter. »Aber Sie sollten lieber verschwinden, ehe sie
aufwacht.«
    »Ich hole meine Sachen«,
flüsterte sie. »Ich ziehe in ein anderes Hotel.«
    »Das wird am besten sein«, sagte
ich. »Haben Sie Geld?«
    »O ja.« Sie nickte matt. »Geld
genug.«
    »Dann setzen Sie sich schon in
Bewegung!«
    Sie brauchte zwei Minuten, um
einen Koffer zu packen, dann brachte ich sie zur Tür.
    »Die anderen Sachen lasse ich abholen«,
sprach sie pflichtbewußt . »Für ein paar Tage reicht
das hier.«
    »Gewiß«, sagte ich und ließ sie
höflicherweise zuerst zur Tür hinaus, dann warf ich noch einen letzten Blick
auf Donna, ehe ich die Tür ins Schloß zog.
    Am Aufzug holte ich Helen Mills
wieder ein. Die Augen hinter den dicken Gläsern blickten etwas vorwurfsvoll,
als sie mich gewahrten.
    »Ich dachte nicht, daß Sie auch
schon gehen, Mr. Boyd. Sind Sie sicher, daß Donna nichts passieren kann?«
    »Ganz sicher«, antwortete ich
kurz angebunden. »Sie ist widerstandsfähig wie ein Wasserbüffel.«
    »Ich möchte ja nicht unhöflich
sein«, sagte sie, »aber ich hatte gehofft, Sie würden bei ihr bleiben, bis sie
erwacht. Sicherheitshalber.«
    »Sie belieben zu scherzen«,
sagte ich und starrte sie an. »Donna würde mich doch in kleine Stücke reißen.«
    Die Lifttür glitt geräuschlos
beiseite, ich folgte Helen in den Aufzug. Sie lächelte den Liftboy höflich an,
als wir hinabfuhren, und ihre Finger glätteten unbewußt den großen Kragen ihrer Bluse. Sie verließ den Aufzug zwei Schritte vor mir,
und diese Distanz zwischen uns hielt sie bis zum Ausgang an der 50sten Straße
ein. Dann blieb sie stehen und wandte sich um, wobei sie mir die Hand
hinstreckte.
    »Adieu, Mr. Boyd«, sagte sie
förmlich. »Ich glaube nicht, daß wir uns noch einmal begegnen werden.«
    »Sind Sie wirklich wieder ganz
in Ordnung?« fragte ich.
    »O gewiß.« Sie lächelte
nachsichtig. »Ich kann schon für mich sorgen, das dürfen Sie mir glauben, Mr.
Boyd.« Und dann schwand ihr Lächeln allmählich, während sie fast nur zu sich
selber weitersprach: »Irgendwie endet alles immer auf die gleiche Art. Es ist
schade, wirklich zu schade.«
    »Selbstverständlich«, murmelte
ich.
    »Ich werde Donna fehlen,
verstehen Sie?« Das Lächeln kam zurück. »In vielen Dingen ist sie hilflos wie
ein Kind. Aber ich habe ja immer schon gesagt, daß es auf die Dauer nicht
gutgeht, wenn man ein Tier in der Wohnung hält.« Sie beugte sich plötzlich vor
und näherte ihre Lippen meinem Ohr.
    »Es ist so unhygienisch«,
vertraute sie mir bescheiden flüsternd an.
     
     
     

12
     
    »Sie dürfen fünf Minuten
bleiben, Mr. Boyd«, erklärte die Schwester mit dienstlicher Lebhaftigkeit.
»Miss Harvey ist noch nicht so weit, daß sie Besuche empfangen kann, aber in
Ihrem Fall haben wir wegen der Dringlichkeit eine Ausnahme gemacht. Ihre Sekretärin
hat uns erklärt, wie kompliziert die gesetzlichen Vorschriften sind.«
    »Sie ist ein kluges Mädchen«,
sagte ich wahrheitsgemäß.
    »Das glaube ich gern.« Die
Schwester lächelte höflich. »Sie können jetzt hineingehen, aber vergessen Sie
nicht: fünf Minuten sind das Äußerste.«
    »Ich denke daran.«
    Ich stieß die Tür auf und
betrat das Zimmer. Es kam mir vor, als habe der leichte Desinfektionsgeruch,
der alle Krankenhäuser durchzieht, meine Nase verstopft und sich für immer da
eingenistet.
    Marge wirkte in dem
schneeweißen hohen Bett ein bißchen verloren; ihr Kopf drückte kaum eine Beule
in das dicke Kissen. Ihre verbitterten Augen beobachteten aufmerksam, wie ich
mich dem Bett näherte.
    »Na so was«, sagte sie matt,
»da sieh mal einer an, wen wir hier haben!« Ihre Lippen kräuselten sich zu
einem spöttischen Lächeln. »Keine Blumen?«
    »Ich habe fünf Minuten Zeit,
Marge«, sagte ich, »deshalb muß ich schnell sprechen, und Sie müssen gut
zuhören.«
    »Können Sie mir einen Grund
dafür nennen?«
    »Sie könnten verhindern, daß
Earl wegen Doppelmordes angeklagt wird.«
    Ihre Blicke wanderten
mißtrauisch über mein Gesicht. »Seit wann sind Sie so um Earl besorgt?«
    Ich erklärte ihr, was Chase
vermutete — es gab nur drei Verdächtige, und
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