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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist
Autoren: Eva Heller
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Frohes Geplauder, der
Lärmpegel stieg. Viertel vor zehn ging Frau Hedderich, die sich heute bester
Gesundheit erfreute, leicht beschwipst, mit einem Gong gongend, herum und bat
alle, ins Foyer zu kommen, der Chef wünsche noch eine Rede zu halten.
    Rufus stellte sich vor den
Tisch, vor die Rosen, und ich glühte vor Stolz, als ich ihn ansah. Und vorher
hatte er eine so gute Rede gehalten, eine so lange Rede, ohne sich zu
verhaspeln und überhaupt. Aber jetzt wirkte er aufgeregter als vorher, er hatte
einen Zettel in der Hand, und seine Hand zitterte leicht. Und er lehnte sich
gegen den Tisch: »Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde, jetzt möchte
ich Ihnen was zeigen.« Er winkte Herrn Hedderich, der im reichlich engen Anzug
beim Kontor stand.
    Herr Hedderich brachte aus dem
Kontor eine große Rolle und legte sie vor Rufus auf den Boden. Rufus entrollte
die Rolle. Es war der Teppich von Frau Futura.
    Was ist denn jetzt los? dachte
ich, will er jetzt den Teppich versteigern? Oder haben sie ihn eben
wiedergefunden? Allgemeines »Ah«, und »Da sind ja Sternkreiszeichen ringsum!«
Und: »Hier ist alles so schön!« Und: »Was bedeutet das FH?« Rufus stellte sich
auf den Teppich, auf das FH. »Dieser Teppich kam, wie alles Schöne hier, durch
Viola ins Haus. Sie erzählte mir, was man ihr erzählt hatte, als sie ihn für einen
Spottpreis kaufte, nämlich, daß dieser Teppich ein Unglücksteppich sei, er
gehörte einer Hellseherin... Das FH ist ihr Firmenzeichen: Frau Futura,
Hellseherin. Wir wissen über Frau Futura nur, daß sie, kurz nachdem sie den
Teppich gekauft hatte, starb...«
    Rufus machte eine Pause.
Betroffenes Schweigen im Publikum, »...aber sie starb lange, ehe sie den
Teppich bezahlt hatte...« Einiges erleichtertes Gelächter.
    »Sehen Sie«, sagte Rufus, »ich
bin der Meinung, daß das Unvermeidliche kein Unglück ist.«
    Pause, in der ich Rufus so toll
fand wie nie zuvor.
    »Und vielleicht besteht Glück
nur darin, das Unglück zu vermeiden...«
    Rufus wurde unterbrochen von
Applaus, es war nur einer, der klatschte — mein Vater.
    Rufus räusperte sich, sah auf seinen
Zettel: »Obwohl dieser Teppich ein Unglücksteppich sein sollte, war Viola so
klug und mutig, trotzdem zuzugreifen. Und wie Viola habe ich diesen Teppich als
Geschenk des Zufalls interpretiert. Und da ich überzeugt bin, daß aus Zufällen
Schicksal entstehen kann, also auch das Glück, wollte ich aus diesem Zufall ein
Glückssymbol schaffen.«
    Pause. Absolute Stille.
    »Dieses Hotel heißt Harmonie,
so hieß es schon damals, als unsere Eltern es gekauft haben, und nie hat der
Name zu diesem Hotel gepaßt...« Rufus sah zu Bärbel, »du weißt, was ich meine.«
    »Ja«, sagte Bärbel ernst, »du
meinst unsere Eltern.«
    »Harmonie ist ein altmodisches
Wort, ein großes, leeres Wort, deshalb habe ich beschlossen, den Hotelnamen zu
ändern...«
    »Ach, du lieber Himmel«, sagte
ich ganz leise, hielt mir erschreckt die Hand vor den Mund, aber ich wußte
nicht, was jetzt kommen würde.
    »...es war eine einsame
Entscheidung von mir, eine Idee kam zur andern... mein Name — ich meine meinen
Nachnamen — ist nicht so außergewöhnlich, daß er für ein außergewöhnliches
Hotel stehen könnte, >Berger< gibt es in jedem Telefonbuch spaltenweise,
und...«, nun lächelte er endlich wieder, »ein Hotel Rufus wollte ich nicht
haben...«
    Rufus sah auf seinen Zettel:
»Also, der Wert großer Worte bemißt sich nur daran, was man sich ihre
Verwirklichung kosten läßt. Das alte Hotel Harmonie soll künftig als Symbol
neuer Harmonie zwischen den beiden Menschen, die es leiten, es soll künftig
heißen...«
    Und da ging der Kronleuchter
aus. Mit einem Schlag. Alles Licht ging aus. Und die Küchentür ging auf, und
Alfred und seine Crew trugen fünf Torten herein mit Kerzen bestückt wie
Geburtstagstorten, trugen sie durchs Publikum, und auf jeder Torte las ich, mit
Schokoladenguß geschrieben:
     
    Willkommen in FABERGER’S HOTEL
    Willkommen in FABERGER’S HOTEL
    Willkommen in FABERGER’S HOTEL
    Willkommen in FABERGER’S HOTEL
    Willkommen in FABERGER’S HOTEL
     
    Und dann ging plötzlich das
Licht über der Rezeption wieder an, und auf dem Tresen standen große goldene
Buchstaben, hastig in ungleichen Abständen aufgestellt:
     
    FA B ER  G ER S H O T E L
     
    — und den Apostroph, dieses
Komma, das oben zwischen das R und das S gehört, den hielt Walkwoman in der
Hand.
    Alle klatschten wie wild. Außer
mir. Ich glaubte nicht, was
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