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Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)

Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)

Titel: Das Grauen im Bembelparadies (German Edition)
Autoren: Frank Demant
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Vorgeplänkel
    Der Tag, an dem noch furchtbar Fürchterliches passieren und Herrn Schweitzers Siechtum ein Ende haben sollte, war noch recht jung, auch wenn die zwei Herrschaften an der Straßenbahnhaltestelle Mühlberg ziemlich alt aussahen. Sie saßen ineinander verkeilt auf der Bank für wartende Fahrgäste. Der korpulentere und größere der beiden schnarchte wie ein Walross. Seine Beine waren V-förmig nach vorne gestreckt, während der Oberkörper zur Seite neigte und zu kippen drohte – warum er es dennoch nicht tat, hätten selbst promovierte Physiker nur sehr schwer erklären können. Seine Hände umklammerten eine auf seinem Schoß ruhende Weinflasche, deren dunkelgrünes Glas nicht erkennen ließ, inwieweit ein Festhalten überhaupt noch lohnte.
    Karlo Kölner indes lag quer über der Sitzgelegenheit und hatte seinen Kopf in die Nierengegend seines Leidensgenossen geschraubt. Sein rechter Arm hing schlaff herunter und würde mit der nächsten Bewegung eine noch gut gefüllte Corona-Bierflasche zum Umstürzen bringen. Die Flasche war durch den ebenso gnädigen wie überfallartigen Beginn eines ohnmachtsähnlichen Schlafes noch fast jungfräulich übrig geblieben. Auch er schnarchte. Doch Karlos disharmonische Laute gingen mehr so Richtung zahnlückenhaft-zischendes Luftansaugen. Wer sich darunter nichts vorzustellen vermag, sollte mal unserem Bundestrainer –
Zsss
– Jogi Löw –
Zsss
– beim Reden zuhören –
Zsss
.
    Vermutlich hätten etwaig vorbeikommende Passanten das ungleiche Pärchen für das gehalten, was sie auch waren: zwei Männer, die sich letzte Nacht dermaßen die Kante gegeben hatten, dass sie ohne weiteres die Aufnahmeprüfung für den Harald Juhnke-Fanklub mit summa cum laude bestanden hätten. Allerdings hatte es noch keine Passanten, denn die Sonne war gerade erst über Offenbach am Aufgehen. Das hört sich jetzt komisch an, denn mit Offenbach assoziieren kultivierte Menschen gewöhnlich eine den Weltuntergang ankündigende pechschwarze Winternachtund nicht die Verheißungen eines Sommertages. Dass die Sonne aus Frankfurter Perspektive stets über Offenbach aufging, war vielen natürlich seit jeher ein Dorn im Auge. Aber was soll man machen? Sprengen? Fluten? Agent Orange wie in Vietnam? All dies kam aus humanitären Gründen nicht infrage. Nicht wenige Hardcore-Frankfurter jedoch hatten sich bereits nicht zum ersten Mal die Frage gestellt, warum man die Fünf nicht mal gerade sein und Offenbachern das Schicksal der Dinosaurier ereilen ließ. Vom durchschnittlichen Intelligenzquotienten her … – okay, es gibt auch gute Offenbacher.
    Natürlich konnte ein in die Jahre gekommener Herr Schweitzer eine derart unbequeme Stellung nicht auf ewig beibehalten; Alkohol hin, Alkohol her. Das Ziehen und Stechen seiner Halsmuskulatur hatte sich in den über vier Stunden, die er nun schon in unbequemen Positionen verharrte, zunehmend verstärkt, bis der Schmerz nicht mehr auszuhalten war. Er erwachte. Zuerst dachte er, mal wieder auf Marias Sofa eingeschlafen zu sein. Das war aber nur von kurzer Dauer, denn als er in der Annahme, es handle sich um seine Freundin, liebevoll über Karlos Haare strich, bemerkte er den fatalen Irrtum auf Anhieb. Igittigitt, was ist denn das für ein ekliges Bratfett, dachte er, war schlagartig hellwach und öffnete ein Auge. Wo war er und wie war er hierhergekommen?
    Für die geographische Bestimmung brauchte er nur Sekunden, schließlich war er Sachsenhäuser und kannte sich in seinem Revier bestens aus. Der zweite Teil der Frage barg aber eine gewisse Komplexität in sich, die ein differenzierteres Vorgehen seinerseits erforderte. Zuerst drehte er seinen Kopf zur Lockerung der Muskeln ein paar Mal hin und her, ehe er auch sein zweites Auge öffnete. Dann schielte er nach links auf die komische Gestalt neben sich. Karlo Kölner – ach du verdammte Scheiße! Wie das? Hatte er auf der gestrigen, alljährlich stattfindenden Grillparty seines Freundes Mischa Schmidt-Schmitt, seines Zeichens Oberkommissar, tatsächlich so viel gesoffen, dass eine Romanze mit einer der skurrilsten Gestalten dieser Stadt die zwangsläufige Folge gewesensein sollte? Nein, hatte er nicht. Ganz bestimmt nicht. Die Zeiten des ungehemmten Die-Sau-raus-Lassens lagen schon ein paar Jährchen zurück. Umgehauen hatte ihn wohl, so erinnerte sich Herr Schweitzer nun, der nicht eben geizig gedrehte Abschiedsjoint Schmidt-Schmitts. Dass Bullen immer so übertreiben müssen, nur weil sie gratis an
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