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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist
Autoren: Eva Heller
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Proportionen haben, das muß wie ein guter Hängebusen aussehen, ein
guter Hängebusen, wohlgemerkt...«
    »Wenn Sie nicht in drei Tagen
fertig sind, können Sie alle ihre blöden Buchstaben für sich behalten«, sagte
ich in gerade noch sozial verträglicher Lautstärke und ging grußlos.
    Dieser Handwerker war die
Krönung! »Keine einzige Frau würde es wagen, so blödes Zeug über Männer zu
quatschen«, sagte ich Rufus. »Zu diesem Idioten geh ich nicht mehr. Wenn die
Dinger nicht in drei Tagen geliefert sind, lassen wir das woanders machen. Und
zur Eröffnung male ich den Hotelnamen mit Dispersionsfarbe auf Stoff, und den
spannen wir als Transparent über den Eingang, das sieht witzig aus, und
Hauptsache, die Leute wissen, wo das Hotel ist, bis wir was Besseres haben. Und
für den Prospekt nehmen wir eines meiner Fotos ohne Hotelnamen, der Name steht
im Prospekt deutlich genug.«
    »Großartig«, sagte Rufus. »Auf
die Idee hätten wir vorher kommen sollen, und jetzt ärgern wir uns nicht mehr
über diesen Schlosser.«
    Genau. Wir machten genau das Gegenteil
von uns ärgern.
     
    Und alles klappte prima. Der
Boden im Foyer wurde auf Hochglanz poliert, die Gläser wurden poliert, das
Besteck.
    Rufus hatte vor, bei der
Eröffnung eine Rede zu halten, und machte sich ständig Notizen, wem er alles
wofür danken wollte.
    Die zerknitterten Rosen auf
meinem Ballkleid wurden Stück für Stück in der Reinigung mit dem Dampfstrahl
revitalisiert.
     
    Am Montag der Eröffnungswoche
wurden Haralds Gemälde unter Haralds Aufsicht von den Bilderaufhänge-Experten
aufgehängt. Sie installierten auch die Bilderlampen, koppelten jede mit einer
raffinierten kleinen Alarmanlage, perfekt.
    Und an diesem Tag lösten wir
auch das Problem der Wolken-Beleuchtung, die Harald immer etwas zu duster und
mir immer etwas zu bescheiden erschienen war, für alle Zeit. Die Experten von
Sotheby’s prüften den alten Deckenhaken, er ist stabil. Die Leitung auch
intakt. Und am Abend war es soweit: Da strahlten unter den Wolken dreistöckig
zweiunddreißig Kerzenglühbirnen, zweiunddreißig goldene Drachen und gläserne
Blitze und sechzehn sternengeschliffene Kristallketten, die die goldene Sonne
mit der azurblauen Porzellankugel halten. Und es war, als würde von nun an auf
die Wolken und auf uns immer die Sonne scheinen.
    Rufus küßte mich unter unserem
Kronleuchter: »Ich danke dir.« Ich küßte Rufus unter unserem Kronleuchter:
»Jetzt ist alles endlich an dem Platz, wo es hingehört.«

100. Kapitel
     
    Das Wetter zu unserem Ball
hätte nicht besser sein können: es stürmte gemeingefährlich und regnete — aber
durch unser Foyer wehte der Frühling, der Sommer, hinauf bis ins oberste
Stockwerk.
    Am Morgen räumten wir das
Rosenzimmer, ich schloß alles in den Schrank, bezog das Bett mit nagelneuer
rosaroter Bettwäsche, dann sah es unschuldiger aus als eine Jungfrau. Niemand
muß wissen, daß das Rosenzimmer das Zimmer ist, in dem wir unsere Nächte
verbringen.
    Mittags, schon kurz nach zwölf,
kamen als erste Gäste Frau Masur und Freundin. Frau Masur nickte Rufus zu und
fragte ihn, wo Herr Berger sei. Sie hatte ihn nicht erkannt! Er hätte sich
sogar mehr verändert als das Hotel! Frau Masurs Freundin hieß Annette, hatte
rote Korkenzieherlocken, sie war auch etwa Anfang Vierzig, wirkte aber jünger,
weil sie dauernd kicherte. Freundlicherweise ließen uns die beiden schnell
wieder allein, wir hätten jetzt sicher noch viel zu tun. O ja, das hatten wir.
Wir mußten die lange weiße Stoffbahn, auf die ich mit schwarzen, fünfzig
Zentimeter hohen Buchstaben HOTEL HARMONIE gepinselt hatte, am Balkon im ersten
Stock befestigen. Natürlich hatte der Idioten-Schlosser die Buchstaben nicht
geliefert. Aber abgesehen davon, daß diese Schrift auf Stoff nicht für die
Ewigkeit war, sah es sehr gut aus, und ein bißchen Improvisation gehört zu
einer Einweihung.
    Kaum waren wir damit fertig,
kamen meine Eltern. »Ist das etwa dein Kronleuchter?!« rief meine Mutter als
erstes. Dann sagte sie unablässig: »Das hätte ich nicht gedacht.«
    Ich wollte lieber nicht wissen,
was sie gedacht hatte. Mein Vater war von Rufus sofort begeistert. Meine Mutter
tat, als sei Rufus nur die nächste vorübergehende Erscheinung in meinem Leben,
vielleicht wollte sie auch seine Nerven testen, jedenfalls interessierte sie
sich überhaupt nicht für ihn, sondern fing an, von ihrem entzückend lebhaften
Enkelkind Solveig vorzuschwärmen, wir alle könnten von
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