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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war
Autoren: Pierre Bellemare
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eingeladen.
     

Das Haus von Brighton
     
    R andolph Stillway, der traurige Rest einer heruntergekommenen Familie, die einmal zu den reichsten ganz Englands gehörte, besitzt nichts mehr. Nicht einmal seinen Namen. Randolph Stillway. Dieser Name ist lediglich ein Pseudonym, ein beruflicher Deckname für diesen Menschen ohne Haus, ohne Kinder, ohne Bindungen, aber nicht ohne Vergangenheit. Irgendwo im England des Jahres 1942 — sitzt dieser Mann mit kurzem Haar und blauen Augen mit einem anderen in einem anonymen Büro. Der andere ist der Chef:
    »Es handelt sich um einen Sonderauftrag, Stillway, um einen ganz delikaten. Ich habe mich nun doch entschlossen, Sie damit zu betrauen — aus Gründen, die Sie wahrscheinlich verurteilen werden, aus niedrigen psychologischen Gründen. Aber Sie sind nun einmal der Mann, der am besten geeignet ist, jene Frau zu finden.«
    Randolph Stillway ist Agent beim Intelligence Service. Ein Fünfziger, schlank, sportlich, Bridgespieler, Staatsexamen in Mathematik, Musiker, Scharfschütze, guter Reiter. Früher war er Berufspilot, aber auch in seinem neuen Beruf sammelt er ausgezeichnete Noten.
    Der Chef reicht ihm ein Foto: »Wir haben sie trotz ständiger Beschattung vor zwei Wochen aus den Augen verloren. Wir müssen sie finden!«
    Randolph Stillway kann seine Bestürzung nicht verbergen.
    »Das ist sie doch, nicht wahr? Es ist Ihre Frau!«
    »Meine Ex-Frau, ja.«
    »Richtig. Sie sind erstaunt?«
    Der Agent hat allerdings Grund, erstaunt zu sein. Nicht einmal im Traum hätte er sich einfallen lassen, Selena in der Welt der Spionage zu treffen! Selena, dieses Strohköpfchen, immer aufgeputzt — eine Frau, die nur Nagellack und Spitzen im Kopf hatte. Ein geschwätziges Vögelchen, leichtsinnig und frivol, das meist nur zwischen Partys und irgendeinem Schönheitsinstitut hin und her flatterte.
    »Regen Sie sich nicht auf, Stillway. Es handelt sich wirklich nicht um unbedachte seelische Grausamkeit unsererseits. Aber es muß schnell etwas unternommen werden. Ehrlich gesagt, wir haben nur zwei Tage Zeit!«
    »Was hat sie denn getan?«
    »Sie hat sich bei einem unserer Agenten eingeschlichen. Wir beobachteten sie auch deswegen. Aber sie hat es trotzdem geschafft, spurlos zu verschwinden, nachdem sie von ihm, nun, gewisse, sehr wichtige Informationen erfahren hat. Diese Frau arbeitet für einen deutschen Mittelsmann. Sie tut es nur wegen des Geldes, nicht aus Überzeugung. Sie ist bestimmt keine professionelle Spionin. Um so delikater ist für uns die ganze Angelegenheit.«
    »Aber warum ich?«
    »Weil wir hoffen, daß Sie sie am schnellsten finden. Sie kennen sie gut. Bis jetzt kann sie England noch nicht verlassen haben — noch nicht! Sie hält sich irgendwo versteckt. Man muß sie finden, bevor es ihr gelingt, das Land zu verlassen. Die Informationen, die sie besitzt, sind zu wichtig!«
    »Zu wichtig?«
    »Allerdings!«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Fragen Sie nicht so viel, Stillway. Wir erwarten auch nicht von Ihnen, daß Sie sie — eliminieren. Sie sind kein Killer.«
    »Aber wird sie dann...«
    »Keine weiteren Details, Stillway. Was Sie betrifft, handelt es sich nur darum, herauszufinden, wo sie sich aufhält. Mehr nicht. Aber schnell. Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja, ich habe verstanden.«
    »Ich sage es Ihnen noch einmal: nur herausfinden, wo sie sich aufhält! Keinen Kontakt mit ihr. Keine sonstige Initiative Ihrerseits. Das ist ein Befehl. Halten Sie mich persönlich auf dem laufenden.«
    Sinnlos, Ausflüchte zu suchen. Stillway hat begriffen: Er ist damit beauftragt, seine Ex-Frau zu finden, sie zu »lokalisieren«, wie es im Jargon heißt — und jemand anders wird — das Übrige erledigen. Sie wird getötet werden, ganz bestimmt. Aber genau genommen wird er der Mörder sein. Der Chef sagte es ganz richtig: Es geht hier nicht um seelische Grausamkeit. Wenn man ihn mit dieser Mission beauftragt hat, dann wirklich nur, weil sonst niemand auch nur die geringste Chance hätte, sie in so kurzer Zeit ausfindig zu machen.
    Stillway wühlt in seinem Gedächtnis. Wenn Selena gemerkt hat, daß sie beschattet wird, kann sie nur an einem Ort Zuflucht gesucht haben, den sie alleine kennt. Aber Randolph kennt sie schließlich ganz gut. Immerhin waren sie zehn Jahre lang verheiratet. Seit sieben Jahren sind sie geschieden, immerhin — aber es gibt viele gemeinsame Erinnerungen. Selena hat sich vielleicht an den Ort einer solchen Erinnerung abgesetzt. Die Erfolgschancen sind gering,
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