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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war
Autoren: Pierre Bellemare
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Ruhestand, da erklärte er der BBC den Krieg, der Britisch Broadcasting Corporation. Zu jener Zeit als unsere Geschichte spielt, gibt es in England zwei Fernsehprogramme: das »nationale«, wofür man eine jährliche Gebühr bezahlen muß, und ein privates kommerzielles Programm, das — gratis für die Zuschauer — mit den Einnahmen aus der Werbung finanziert wird. Und Cornelius Benton vertritt die Meinung, daß die jährliche Fernsehgebühr für die vielen kleinen Ruheständler viel zu hoch ist. Also beschließt er, nur noch das Privatfernsehen anzuschauen, auch wenn ihm die häufigen Werbespots auf die Nerven fallen. Und von nun an weigert er sich, die fällige Gebühr zu zahlen. Nicht einfach so, ohne Erklärung. Nein, er schickt der BBC die Rechnung mit beiliegendem Schreiben zurück:
    »...ich bitte um Verständnis. Aber da ich Ihre Programme nicht anschaue, halte ich mich auch nicht für verpflichtet, die Gebühr zu bezahlen. Mit vorzüglicher Hochachtung. Cornelius Benton.«
    Auch nach mehreren Mahnungen weigert er sich, zu bezahlen. Auch nicht die Säumniszuschläge und die fällige Verwarnung. Daraufhin verbringt er acht Tage im Gefängnis, hofft aber insgeheim, daß die TIMES über seine mutige Entscheidung berichten wird, was vielleicht die Verantwortlichen für dieses Fernsehgebührengesetz dazu bewegen könnte, über die prekäre finanzielle Lage der vielen kleinen Rentner nachzudenken — und womöglich eine Ermäßigung für sie in Betracht zu ziehen. Aber kein Mensch nimmt Notiz von der ganzen Angelegenheit. Zwei kleingedruckte Zeilen in der TIMES, auf der vierten Seite, das ist alles.
    Gut. Wenn das so ist, muß ich eben andere Saiten aufziehen, denkt Benton, als er nach einer Woche seine Zelle verläßt. Zuerst macht er sich an seinem Fernsehapparat zu schaffen und blockiert alle Knöpfe, die man braucht, um das öffentlich-rechtliche Programm zu empfangen. Und als er die nächste Zahlungsaufforderung bekommt, schreibt er abermals der BBC einen vollendet höflichen Brief:
    »...wiederum bitte ich um Ihr Verständnis. Ich kann jetzt technisch Ihre Programm nicht mehr empfangen. Außerdem bin ich der Meinung, daß alle wenig begüterten Rentner dasselbe tun sollten wie ich. Mit vorzüglicher Hochachtung. Ihr sehr ergebener Cornelius Benton.«
    Ergebnis: Zwei Wochen Gefängnis.
    Diesmal ist der kleine Briefträger nicht mehr nur verärgert, als er wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Er kocht vor Wut und trifft eine für ihn unglaublich mutige Entscheidung. Mit Höflichkeit und Bitten um Verständnis hatte er nicht den geringsten Erfolg, also heißt es jetzt aktiv werden und den britischen Institutionen die Hölle heiß machen. Sein Ziel ist die National Gallery.
    Einige Tage später zwängt er sich spät abends durch ein Toilettenfenster in das berühmte Museum, schleicht langsam durch die langen Ahnengalerien, und mit kritischem Auge bleibt er plötzlich vor einem bestimmten Gemälde stehen. Genau! Das ist es! Ein Bild des Duke of Wellington, auf das ganz England stolz ist — nicht nur, weil Goya das Porträt malte, sondern weil Wellington Napoleon bei Waterloo endgültig bezwang. Ja, ohne Zweifel, der Verlust dieses Nationalheiligtums wird das Land am schlimmsten treffen. Es ist kein großes Bild. Cornelius Benton nimmt es einfach von der Wand ab und verschwindet auf demselben Weg, auf dem er in das Gebäude eingedrungen war. Mit dem Porträt unterm Arm geht er eine Zeitlang durch die dunklen Londoner Straßen, bis er an eine menschenleere Baustelle kommt. Dort entfernt er sorgfältig den goldenen Rahmen, rollt das Gemälde zusammen, läßt den Rahmen an Ort und Baustelle und fährt nach Hause.
    Am nächsten Morgen geht ein Schrei der Empörung durch ganz England. Sogar die TIMES berichtet so aufgeregt, als ginge es um den Diebstahl der Kronjuwelen — erstens, weil es sich ausgerechnet um den legendären Nationalhelden Wellington handelt, der England mit seinem Sieg über diesen kleinen, größenwahnsinnigen Kaiser der Franzosen von einer der größten Bedrohungen in der Geschichte des Inselreiches befreit hat, zweitens, weil immerhin der weltberühmte Maler Goya — und sei er »nur« ein Spanier— den britischen Helden für die Ewigkeit festgehalten hat. Last not least aber auch, weil der Staat gerade eben dieses Gemälde für die Unsumme von 300 000 Pfund gekauft hat — wohlgemerkt: im Jahr 1960!
    Kein Wunder also, daß Land und Leute sehr empfindlich reagieren. Schnellstens bildet die
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