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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Sie?«
    »In der Bondegatan. Warum fragen Sie das alles?«
    »Was haben Sie am Dienstag gemacht?«
    »Vorgestern? Gar nichts. Ich war zu Hause. Ich war krank. Ich bin seit mehr als vierzehn Tagen heute zum erstenmal draußen.«
    »Wer kann das bezeugen?« fragte Martin Beck. »War jemand bei Ihnen, als Sie krank waren?«
    »Nein, ich war alleine.«
    Martin Beck trommelte auf das Autodach und blickte Kollberg an. Kollberg öffnete die Tür auf der anderen Wagenseite, beugte sieb hinein und fragte: »Was haben Sie vor einer halben Stunde dort bei Gröndal gesagt?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben etwas gesagt, als Sie vorhin unterhalb von Gröndal standen.«
    »Ach so, das«, sagte der Mann, »das meinen Sie…«Er lachte leise auf und zitierte:
    »Ich bin eine kranke Linde, noch jung und doch welkend von Tag zu Tag; und meine Krone, die sonst nichts vermag, streut dürres Laub in die Winde.
    »Meinen Sie das?«
    Der Polizist in der Lederjacke starrte den Mann mit offenem Mund an.
    »Fröding«, murmelte Kollberg.
    Der Polizist sperrte den Mund noch weiter auf.
    »Stimmt«, bestätigte der Mann, »er starb ja in Gröndal, nicht gerade alt, aber irrsinnig.«
    »Was sind Sie von Beruf?« fragte Martin Beck.
    »Ich bin Werkmeister«, antwortete der Mann.
    Martin Beck richtete sich auf und sah Kollberg über das Wagendach hin an. Kollberg zuckte die Schultern. Martin Beck zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Dann beugte er sich wieder vor und blickte den Mann an.
    »Okay«, sagte er, »noch mal von vorn. Wie heißen Sie?«
    Die Sonne knallte aufs Autodach. Der Mann auf dem Rücksitz wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Wilhelm Fristedt.«

30
    Man konnte Martin Beck für ein für Bauernfänger geeignetes Opfer vom Lande halten und Kollberg für einen Sexualverbrecher. Man konnte Rönn einen Bart ankleben und jemandem einreden, das sei der Weihnachtsmann, und vermutlich würde sich ein verwirrter Zeuge zu der Aussage bewegen lassen, Gunvald Larsson sei ein Ne-ger.
    Man konnte auch den Polizeidirektor als Kommunalarbeiter verkleiden und den Reichspolizeichef als Landstreicher. Vermutlich gönnte man auch jemandem einreden, der Innenminister sei Polizist. Man konnte sich, genau wie die Japaner im zweiten Weltkrieg und wie gewisse, krankhaft veranlagte Fotografen als Busch maskieren und verlangen, nicht durchschaut zu werden. Man konnte den Leuten praktisch alles einreden.
    Aber nichts in der ganzen Welt könnte jemanden dazu bringen, sich in Kristiansson und Kvant zu täuschen.
    Kristiansson und Kvant trugen Uniformmützen und Lederjacken mit vergoldeten Knöpfen. Sie trugen den Schulterriemen diagonal über der Brust und die Pistole und den Gummiknüppel am Koppel. Ihre Kleidung war dadurch bedingt, daß sie bei einer Temperatur von weniger als plus zwanzig Grad froren.
    Beide stammten aus der Provinz Schonen.
    Beide waren einssechsundachtzig groß und hatten blaue Augen. Beide waren breitschultrig und blond und wogen fast neunzig Kilo. Sie fuhren einen schwarzen Plymouth mit weißen Kotflügeln. Der Wagen hatte einen Suchscheinwerfer, eine Funkantenne, ein rotierendes orangefarbenes Blinklicht und rote Lampen auf dem Dach. Außerdem war das Wort POLIZEI in weißer Blockschrift an vier verschiedenen Stellen des Fahrzeugs angebracht - quer über die Türen, auf der Motorhaube und auf der Heckklappe.
    Kristiansson und Kvant waren Streifenwagenfahrer.
    Bevor sie Polizist wurden, hatten beide als Berufssoldaten einem südschonischen Infanterieregiment in Ystad angehört. - Beide waren verheiratet. Jeder hatte zwei Kinder.
    Sie arbeiteten seit langem zusammen und kannten einander so gut, wie dies wohl nur zwei Menschen in einem Streifenwagen können. Sie beantragten beide gleichzeitig ihre Versetzung und fühlten sich nur wohl, wenn sie zusammen waren. Dennoch waren sie völlig verschieden und gingen einander ständig auf die Nerven.
    Kristiansson war geduldig und konziliant. Kvant hitzig und provozierend. Kristiansson erwähnte seine Frau so gut wie nie, Kvant sprach fast von nichts anderem als von seiner. Daher wußte Kristiansson alles über sie. Nicht nur, was sie sagte oder tat, er war auch über die intimsten Einzelheiten ihres Verhaltens unterrichtet und über jeden Fleck an ihrem Körper.
    Auf diese Art ergänzten sie sich ausgezeichnet. Sie hatten viele Diebe und Tausende von Betrunkenen festgenommen und mehrere hundert Wohnungseinbrüche verhindert. Kvant hatte außerdem einiges Unheil
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