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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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»Damit hätten wir die Bestätigung, nicht wahr?«
    »Das glaub ich auch«, meinte Kristiansson.
    »Ich hab ihr ein Stück Schokolade weggenommen«, sagte der Mann, der Ingemund Fransson hieß. »Aber einem kleinen Jungen habe ich einen Fahrschein gegeben, der noch nicht einmal abgefahren war. Da war noch eine Fahrt drauf.«
    Kristiansson fand nichts mehr in den Taschen. Kvant schlug die Tür auf seiner Seite zu.
    »Schokolade!« rief er wütend. »Fahrschein! Du hast drei Kinder ermordet - oder nicht?«
    »Ja«, sagte der Mann. Er lachte auf und schüttelte den Kopf. »Ich mußte«, fügte er dann hinzu.
    Kristiansson stand noch vor dem Streifenwagen. »Wie ist es Ihnen gelungen, die Mädchen mitzulocken?« erkundigte er sich.
    »Ach, ich kann gut mit Kindern umgehen. Kinder haben immer Vertrauen zu mir. Ich zeige ihnen etwas, Blumen oder so.«
    Kristiansson überlegte einen Augenblick. Dann fragte er: »Wo haben Sie die letzte Nacht geschlafen?«
    »Auf dem nördlichen Friedhof. In der Urnenhalle.«
    »Hast du die ganze Zeit da geschlafen?« fragte Kvant.
    »Da und auf anderen Friedhöfen. Ich kann mich nicht so recht erinnern.«
    »Und tagsüber?« fragte Kristiansson. »Wo haben Sie sich am Tage aufgehalten?«
    »Hier und da. Oft in Kirchen. Es ist so schön da. Alles still und ruhig. Man kann da stundenlang sitzen.«
    »Aber du hast dich gehütet, nach Hause zu gehen, was?« warf Kvant ein.
    »Doch, ich war zu Hause… einmal. Ich hatte mir den Schuh schmutzig gemacht. Und…«
    »Was und?«
    »Und ich mußte mir andere Schuhe anziehen und habe meine alten Turnschuhe angezogen. Dann habe ich mir natürlich neue Schuhe gekauft. Sehr teure. Waren wirklich unverschämt teuer, muß ich sagen.« Kristiansson und Kvant starrten ihn an.
    »Und dann habe ich meine Jacke geholt.«
    »Soso«, sagte Kristiansson.
    »Es ist nämlich ziemlich kalt, wenn man die Nacht im Freien zubringen muß«, sagte der Mann im Plauderton.
    Sie hörten schnelle Schritte, und eine junge Frau in blauer Kittelschürze und Holzschuhen kam angelaufen. Sie sah den Streifenwagen und blieb jäh stehen.
    »Oh«, sagte sie keuchend, »Sie haben wohl nicht… Mein kleines Mädchen… ich kann es nicht finden… ist mir ausgerissen. Sie haben es wohl nicht gesehen? Es hat ein rotes Kleid an.«
    Kvant drehte die Scheibe herunter und setzte gerade zu einer ihm passend erscheinenden Antwort an. Dann besann er sich und sagte höflich: »Doch, junge Frau. Es sitzt da hinter dem Gebüsch und spielt mit einer Puppe. Nur keine Aufregung. Es besteht keine Gefahr. Ich habe es gerade eben gesehen.«
    Kristiansson verbarg instinktiv den hellblauen Kinderschlüpfer hinter seinem Rücken und bemühte sich, der Frau zuzulächeln. Es gelang ihm nicht sehr gut.
    »Es besteht keine Gefahr«, wiederholte er dümmlich.
    Die Frau lief ins Gebüsch, und einen Augenblick später war eine helle Kinderstimme zu hören.
    »Huhu, Mami!«
    Ingemund Franssons Gesichtszüge wurden schlaff und sein Blick ausdruckslos und starr.
    Kvant faßte ihn fest am Arm und sagte zu Kristiansson: »Sieh zu, daß wir fortkommen, Kalle.«
    Kristiansson schlug die Tür zu, setzte sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an.
    Während er auf die Straße zurücksetzte, sagte er: »Ich möchte nur eins wissen…«
    »Was?« fragte Kvant.
    »Wer mag das sein, den sie im Djurgärden verhaftet haben?«
    »Ja, darauf bin ich auch verdammt gespannt«, gab Kvant zurück.
    »Seien Sie bitte so nett und fassen Sie mich nicht so hart an«, bat der Mann, der Ingemund Fransson hieß. »Sie tun mir weh.«
    »Halt die Schnauze!« fuhr Kvant ihn an.
    Martin Beck stand noch immer am Biskopsudden auf Djurgärden, fast genau acht Kilometer von der Huvudsta alle entfernt. Er stand reglos da, die linke Hand am Kinn, und sah Kollberg an. Dessen Gesicht war krebsrot und schweißüberströmt. Ein Polizist mit weißem Helm, ein Funksprechgerät auf dem Rücken, grüßte eben die beiden und fuhr dann auf seinem Motorrad davon.
    Zwei Minuten zuvor waren Melander und Rönn mit dem Mann, der steif und fest behauptete, Fristedt zu heißen, zu dessen Wohnung in der Bondegatan gefahren. Sie wollten sich seine Papiere zeigen lassen. Aber das war strenggenommen nur noch eine Formalität. Weder Martin Beck noch Kollberg zweifelten daran, daß es sich bei dieser Festnahme um einen Irrtum handelte.
    Ein einziger Streifenwagen parkte noch auf dem Platz. Kollberg stand an der offenen Vordertür. Martin Beck ein paar Meter davon
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