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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Winters
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erfahren habe. Zell arbeitete bei einem Unternehmen namens Merrimack Life and Fire mit Büros im Water West Building, gleich beim Eagle Square. Eine kleine Sammlung abgerissener Eintrittskarten fürs Kino, alle aus den letzten drei Monaten, spricht für einen Hang zu Jugend- und Abenteuerfilmen: das Herr-der-Ringe -Revival; zwei Folgen der Sc ience-Fiction-Serie Ferner fahler Schimmer ; die DC -gegen-Marve l-Geschichte im IMAX in Hooksett. Keine Spur von einer Familie, überhaupt keine Fotos in der Brieftasche. Fünfundachtzig Dollar in Fünfern und Zehnern. Und ein Führerschein, mit einer Adresse hier in der Stadt: 14 Matthew Street Extension, South Concord.
    »Ja, klar. Die Gegend kenne ich. Gibt ein paar hübsche kleine Häuschen da unten. Rolly Lewis wohnt da.«
    »Und er ist verprügelt worden.«
    »Rolly?«
    »Das Opfer. Schauen Sie.« Ich wende mich wieder dem verzerrten Gesicht des Versicherungsmenschen zu und deute auf eine Ansammlung sich allmählich gelb verfärbender Blutergüsse hoch oben auf der rechten Wange. »Jemand hat ihm eine reingehauen, und zwar mit Karacho.«
    »O ja. Sicher.«
    Dotseth gähnt und trinkt ein paar Schlucke von seinem Kaffee. Das Gesetz von New Hampshire hat lange Zeit verlangt, dass bei jedem Leichenfund jemand aus dem Büro des Generalstaatsanwalts gerufen wird, damit die Anklagebehörde von Anfang an mit von der Partie ist, falls es ein Mordfall wird. Angesichts der gegenwärtigen ungewöhnlichen Umstände hat das Staatsparlament diese Vorschrift jedoch Mitte Januar als unnötige Belastung kassiert – Dotseth und seine Kollegen schleppen sich durch den ganzen Staat, um wie Krähen an den Tatorten von Morden herumzustehen, die gar keine Mord-Tatorte sind. Jetzt liegt es im Ermessen des ermittelnden Beamten, ob er einen AAG zu einem 10-54S hinzuzieht. Ich tu das normalerweise und rufe meinen an.
    »Also, sonst noch was, junger Mann?«, sagt Dotseth. »Spielen Sie immer noch Racquetball?«
    »Ich spiele kein Racquetball, Sir.« Ich höre nur mit halbem Ohr zu, den Blick auf den Toten gerichtet.
    »Nicht? An wen denke ich denn da gerade?«
    Mit dem Finger tippe ich mir ans Kinn. Zell war klein, vielleicht knapp eins siebzig; gedrungen, stattlicher Rettungsring. Heiliger Bimbam, denke ich immer noch, denn irgendwas stimmt nicht mit diesem Körper, dieser Leiche, diesem speziellen mutmaßlichen Selbstmord, und ich versuche rauszufinden, was es ist.
    »Kein Telefon«, murmle ich.
    »Was?«
    »Seine Brieftasche ist da, seine Schlüssel auch, aber kein Handy.«
    Dotseth zuckt die Achseln. »Hat er bestimmt weggeschmissen. Beth hat ihres auch gerade in die Tonne getreten. Auf die verdammten Dinger ist eh immer weniger Verlass, da hat sie sich gedacht, sie könnte ihres auch gleich entsorgen.«
    Ich nicke, murmle: »Klar, klar«, und sehe weiterhin Zell an.
    »Und kein Brief.«
    »Was?«
    »Es gibt keinen Abschiedsbrief.«
    »So?« Er zuckt erneut die Achseln. »Irgendein Freund wird ihn schon finden. Sein Chef vielleicht.« Er lächelt und trinkt den Kaffee aus. »Die hinterlassen alle einen Abschiedsbrief, diese Leute. Obwohl man sagen muss, dass Erklärungen mittlerweile ziemlich überflüssig sind, stimmt’s?«
    »Ja, Sir.« Ich streiche mir über den Schnurrbart. »Ja, in der Tat.«
    Letzte Woche sind in Kathmandu tausend Pilger aus ganz Südostasien in einen riesigen Scheiterhaufen marschiert, und Mönche haben einen Kreis um sie gebildet und Sprechgesänge angestimmt, bevor sie selbst ins Feuer gegangen sind. In Mitteleuropa tauschen alte Leute DVD s mit Anleitungen: Wie beschwert man seine Taschen mit Steinen , Wie mischt man sich einen Barbituratcocktail . Im Mittleren Westen der USA – Kansas City, St. Louis, Des Moines – geht der Trend zu Schusswaffen; eine solide Mehrheit pustet sich mit der Schrotflinte das Hirn weg.
    Hier in Concord, New Hampshire, sind wir aus welchem Grund auch immer in der Stadt der Hänger. Zusammengesunkene Leichen in Schränken, Schuppen, unfertigen Kellern. Freitag vor einer Woche hat es der Eigentümer eines Möbelgeschäfts in East Concord im Hollywood-Stil probiert und sich mit dem Gürtel seines Bademantels um den Hals von einem überstehenden Stück Regenrinne abgeseilt, aber die Rinne brach ab, sodass er auf die Veranda knallte – lebendig, aber mit vier gebrochenen Gliedmaßen.
    »Na, jedenfalls ist es eine Tragödie«, schließt Dotseth ausdruckslos. »Jeder von ihnen ist eine Tragödie.«
    Er wirft einen raschen Blick auf seine
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