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Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Der letzte Polizist: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Winters
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dem Fahrrad in die Mitte der I-90, fahre unmittelbar neben den gelben Doppelstreifen entlang.
    Man darf nicht allzu viel darüber nachdenken, was demnächst passieren wird, das darf man wirklich nicht.
    Ich komme erst mitten in der Nacht nach Hause, und dort wartet sie auf mich, sie sitzt auf einer der umgedrehten Milchkisten, die ich als Stühle auf der Veranda stehen habe: meine kleine Schwester in einem langen Rock und einer hellen Jeansjacke, der starke, bittere Geruch ihrer American Spirits. Houdini guckt sie unter der anderen Milchkiste hervor böse an, zitternd und mit gefletschten Zähnen, und denkt irgendwie, er wäre unsichtbar.
    »Herrgott noch mal«, stoße ich hervor und laufe zu ihr, lasse das Fahrrad im Schmutz am Fuß der Verandatreppe liegen, und dann umarmen wir uns lachend, ich drücke ihren Kopf an meine knochige Brust.
    »Du blödes Stück«, sage ich, als wir uns voneinander lösen, und sie sagt: »Tut mir leid, Hen, tut mir wirklich leid.«
    Mehr braucht sie nicht zu sagen, mehr brauche ich nicht zu hören, das reicht mir als Geständnis. Sie wusste die ganze Zeit, was sie tat, als sie mich tränenreich anflehte, ihr dabei zu helfen, ihren Mann zu befreien.
    »Ist schon gut. Um ehrlich zu sein, rückblickend bin ich ziemlich beeindruckt von deiner Gerissenheit, schätze ich. Du hast mich gespielt wie eine … wie hat Dad immer gesagt? Wie eine Violine, oder so?«
    »Keine Ahnung, Henry.«
    »Klar weißt du das. Etwas mit einer Violine, einer Blondine und …«
    »Ich war erst sechs, Henry. Ich kenne keinen dieser Sprüche.«
    Sie schnippt den Stummel ihrer Zigarette von der Veranda und holt sich eine neue aus der Schachtel. Reflexhaft runzle ich die Stirn, weil sie Kette raucht, und sie verdreht reflexhaft die Augen über meinen Paternalismus – alte Gewohnheiten. Houdini lässt ein kleines, zaghaftes Wuff hören und schiebt die Schnauze unter der Milchkiste hervor. Officer McConnell hat mich informiert, dass der Hund ein Bichon Frisé ist, aber für mich ist er immer noch ein Pudel.
    »Also, okay, aber jetzt musst du’s mir erzählen. Was musstest du wissen? Welche Information habe ich dir ahnungsloserweise beschafft, als ich mich bei der Nationalgarde von New Hampshire eingeschlichen habe?«
    »Irgendwo in diesem Land arbeiten sie an einem Geheimprojekt«, beginnt Nico langsam, mit abgewandtem Gesicht. »Und zwar nicht an einem nahe liegenden Ort. Wir haben es eingegrenzt, und jetzt ist es unser Ziel, die scheinbar harmlose Einrichtung zu finden, in der dieses Projekt durchgeführt wird.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Kann ich dir nicht sagen. Aber wir haben Informationen …«
    »Woher habt ihr die Informationen?«
    »Kann ich dir nicht sagen.«
    »Also wirklich, Nico.«
    Ich komme mir vor wie in Twilight Zone. Ich streite mit meiner kleinen Schwester, wie wir früher immer um den letzten Lutscher gestritten haben oder darüber, dass sie den Wagen meines Großvaters geklaut hatte, nur dass es diesmal um eine groteske geopolitische Verschwörung geht.
    »Es gibt ein gewisses Maß an Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz dieses Projekts.«
    »Nur damit ich’s richtig verstehe: Du glaubst nicht ernsthaft, dass es eine Fähre ist, die Menschen zum Mond bringen soll.«
    »Tja«, sagt sie und zieht an ihrer Zigarette. »Tja. Manche von uns glauben das tatsächlich.«
    Mir fällt die Kinnlade herunter, die ganzen Verästelungen dieser Sache – was sie getan hat, was sie hier macht, weshalb sie sich entschuldigt –, all das wird mir erst jetzt klar. Ich schaue sie erneut an, meine Schwester, und sie sieht sogar anders aus, sie ähnelt meiner Mutter weitaus weniger als früher. Sie ist dünner geworden, ihre Augen liegen tief in den Höhlen, der Blick ist ernst, kein Gramm Babyfett, das die harten Linien ihres Gesichts weicher machen würde.
    Nico, Peter, Naomi, Erik – jeder hortet Geheimnisse, jeder verändert sich. Aus 450 Millionen Kilometer Entfernung macht Maia mit uns allen, was sie will.
    »Derek war einer dieser Trottel, hm? Du warst eingeweiht, aber dein Mann dachte wirklich, wir würden uns auf den Mond retten.«
    »Das musste er. Er musste glauben, dass er zu einem bestimmten Zweck mit seinem Geländewagen auf die Basis fuhr, aber den wahren Zweck durfte er nicht erfahren. Zu wenig vertrauenswürdig. Zu … du weißt schon.«
    »Zu dumm.«
    Sie antwortet nicht. Ihr Gesicht ist unbewegt, der Glanz in ihren Augen hat etwas Vertrautes, etwas Beunruhigendes, er erinnert mich an die
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