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Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)

Titel: Der letzte lange Sommer: Island-Roman (German Edition)
Autoren: Dagmar Trodler
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wissendes Lächeln hervor, und Lies wurde rot. Er schwieg jedoch, kaute stattdessen und kaute und würgte den Pfannkuchen hinunter und nahm sich den nächsten.
    »Dann sind wir endlos hinter den Viechern hergaloppiert«, führte er die Erlebnisse des Tages grinsend aus. »Hinauf die Hügel, die Felsen rauf und runter galoppiert – da hättest du was gelernt, Mädchen!«
    »Hätt’st«, nickte Tilli ähnlich grinsend. Ob sich das auf Schafe oder den Galopp bezog, blieb offen.
    »Es fing an zu schneien – so was von heftig, dass wir kaum was sehen konnten. Die Hunde fanden schließlich den Weg. Die Schafe – die sind einfach stehen geblieben. Dicht beisammen – und stehen geblieben. Wie ein gro ßer Wollberg ineinandergekrochen. Die wissen, wie man das macht. Hier gibt es jedes Jahr wirklich wilde Schneestürme, musst du wissen. Auch im Herbst schon, wo sie in Reykjavik noch Eis essen und sich am Meer verbrannte Nasen holen. Aber hier ist es dann schon Winter, musst du wissen. Im Osten kommt der Winter schon mal etwas früher. Und meine Nase...«, er fasste sich an den rotgefärbten Zinken, der seine Farbe nicht verlieren wollte, »meine Nase wär über diesen Winter fast abgefallen. Zum Glück hatte ich sie eingefettet.«
    »Eingefettet.« Lies runzelte die Stirn, ein Ohr stets in Richtung Tür.
    »Ja. Irgendein Fett. Tierfett. Creme – Fett halt. Das schützt die Haut.«
    »Od’r nich waschen«, grinste Tilli. »Nich wasch’n fettet auch. Das fettet noch viel besser.« Sie lachten.
    Butter knackte warnend in der Pfanne, schleunigst drehte Lies das Feuer herunter. Es zischte, als der Pfannkuchenteig in den Fettsee floss, und saftig schmatzend verwandelte der Teig sich in einen festen, duftenden Kuchen. Die Haustür quietschte, Wind fuhr herein. In der Diele kam Bewegung auf, und Lies’ Herz machte einen Satz. Es roch nach feuchten Kleidern, nach Ölzeug, verschwitzten Socken. Jackenrascheln, Schuhpoltern, Hecheln, ein wedelnder Hundeschwanz, dann Schritte auf Holzbohlen.
    »Na, alles klar hier?« Mit der Linken strich Jói sich die verschwitzten, schwarzen Haare aus der Stirn und trat in die Küche. Unter spritzendem Wasserstrahl wusch er sich erst die Hände, bevor er sich an den Tisch setzte. Lies starrte ihn an. Starrte dumm – Gott, wie dumm -, und er lachte.
    »Na? Wieder aufgetaut?«, fragte er zwinkernd.
    »Hmhmhm...« Er hatte ihr die Klamotten ausgezogen. Alle. Sie wurde knallrot. Er hatte ihr alle Kleider ausgezogen, bis auf die Unterhose. Er hatte sie nackt gesehen. Und er hatte in ihrem Bett gesessen. Er hatte ihr eine Blume aufs Tablett gelegt. Sie starrte ihn an wie ein Kaninchen die Schlange, und er lachte wieder.
    »Ob ich wohl auch was zu essen bekomme?« Verlegen beeilte sie sich, Tasse und Teller aus dem Schrank zu holen, ohne dass ihr das Herz aus dem Mund herausfiel. Wild genug dafür sprang es in der Brust herum. Ari sah mit gierig glitzernden Augen von einem zum anderen.
    »Jaja«, sagte er schließlich bedächtig. »Bei so einem Schafabtrieb passieren so allerhand Sachen. So allerhand …«
    »So allerhand«, kam es auch von Tilli, der an einem übergroßen Fleischstück arbeitete. Jói aß hungrig von den Pfannkuchen und ignorierte ihr Gefeixe.
    »Es gab eine Flutwelle«, sagte er mit vollem Mund. »Ich hab es eben im Autoradio gehört.« Sie starrten ihn alle an. Der Kaufmann sagte etwas in sehr schnellem Isländisch. Jói nickte. »Ein Vulkan, oben am Gletscher«, erklärte er für Lies, die seinem Blick kaum standhalten konnte. »Ein kleiner nur. Aber das Eis schmolz und floss die Jökulsá herunter. Das wurde dann zu einer Flutwelle.«
    Lies nickte langsam. »Das hab ich gehört«, sagte sie leise. »Ich hab das Wasser gehört.«
    »Das’s Island«, mümmelte Tilli ernsthaft. »Heut so, morg’n so. Nie gleich.«
    »Bricht der Vulkan aus?«, fragte sie beunruhigt.
    »Er ist ausgebrochen. Er ist fertig damit, sie rechnen nicht mit weiteren Ausbrüchen. Das Eis, musst du wissen...«, er warf ihr einen langen Blick zu, »das Eis sitzt wie eine Haube auf dem Vulkan, und wenn er spuckt, schmilzt das Eis, und es fließt hinab ins Tal. So ist das hier.« Damit aß er weiter. Sie riss den Blick von ihm los.
    »Jaaaau, das ist Island.« Der Kaufmann nickte. »Es schneit im Sommer, ein Vulkan erzählt heiße Geschichten und weint hinterher, ein Schaf geht in die Elfenstadt, und unsere Lies schwimmt durch einen See. Das ist Island. Und im nächsten Jahr...« Ari beugte sich vor und sah zu
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