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Der letzte Joker

Der letzte Joker

Titel: Der letzte Joker
Autoren: Agatha Christie
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wie eine Warnung. Dann erklärte er ihr so schonend wie möglich, warum es eine Untersuchung geben musste. Sie schauderte. Sie lehnte ihr Angebot, mit ihnen nach Chimneys zu fahren, ab und erklärte, sie würde später nachkommen. Sie besaß einen eigenen Zweisitzer.
    «Ich möchte ein wenig allein sein», sagte sie kläglich.
    «Ich verstehe», erwiderte Ronny.
    «Ist schon gut», meinte Jimmy.
    Sie sahen sich verlegen und hilflos an.
    «Ich danke Ihnen beiden sehr, dass Sie gekommen sind.»
    Schweigend fuhren sie zurück. Sie waren irgendwie befangen.
    «Mein Gott! Hat das Mädchen Haltung!», sagte Ronny einmal.
    Jimmy stimmte ihm zu.
    «Gerry war mein Freund», erklärte Ronny. «Es ist jetzt meine Aufgabe, mich um sie zu kümmern.»
    «Natürlich, ganz klar!»
    Mehr redeten sie nicht.
    Bei ihrer Rückkehr nach Chimneys wurde Jimmy von einer in Tränen aufgelösten Lady Coote aufgehalten.
    «Der arme Junge!», wiederholte sie immer wieder. «Der arme Junge!» Jimmy machte die passendsten Bemerkungen, die ihm einfielen.
    Lady Coote erzählte ihm daraufhin mit aller Ausführlichkeit Einzelheiten über das Hinscheiden verschiedener lieber Freunde. Jimmy hörte ihr mit gespieltem Interesse zu und brachte es schließlich fertig, sich mit Anstand zurückzuziehen.
    Er rannte leichtfüßig die Treppe hinauf. Ronny kam gerade aus Geralds Zimmer.
    «Ich war drinnen, um ihn mir anzusehen», sagte er. «Gehst du auch hinein?»
    «Ich glaube nicht», erwiderte Jimmy, der wie alle jungen Leute eine gesunde Abneigung gegen den Tod hatte.
    «Ich meine, alle Freunde sollten es tun.»
    «Ja? Wirklich?», fragte Jimmy und fand, dass Ronny Devereux sich in dieser ganzen Geschichte verdammt merkwürdig benahm.
    «Ja. Aus einer Art Achtung.»
    Jimmy seufzte, gab dann aber nach.
    «Na, gut», sagte er und ging mit zusammengebissenen Zähnen hinein.
    Weiße Blumen lagen auf der Bettdecke. Das Zimmer war ordentlich aufgeräumt. Jimmy warf einen kurzen, nervösen Blick auf das stille weiße Gesicht. Konnte das der pausbäckige rosige Gerry Wade sein? Er schauderte.
    Als er sich umdrehte, um das Zimmer zu verlassen, fiel sein Blick auf den Kaminsims, und er blieb erstaunt stehen. In einer Reihe aufgestellt standen dort die Wecker.
    Rasch lief er nach draußen. Ronny wartete auf ihn.
    «Armer Kerl», murmelte Jimmy. «Sag mal, Ronny, wer hat eigentlich die Wecker aufgestellt?»
    «Wie soll ich das wissen? Einer der Diener vermutlich.»
    «Komisch, es sind nur sieben, nicht acht. Ist dir das auch aufgefallen?»

4
     
    « R ücksichtslos finde ich das!», sagte Lord Caterham wehleidig und schien sich irgendwie an dem Adjektiv zu freuen, das er gefunden hatte. «Ich habe schon oft festgestellt, dass diese Selfmademen rücksichtslos sind. Sehr gut möglich, dass das der Grund ist, warum sie so viel Reichtum anhäufen.»
    Düster blickte er über sein angestammtes Land, von dem er wieder Besitz ergriffen hatte.
    Seine Tochter, Lady Eileen Brent, von ihren Freunden kurz «Bündel» genannt, lachte. «Du wirst jedenfalls niemals große Reichtümer anhäufen! Obwohl du dem alten Coote ganz schön viel Miete abgeknöpft hast für diesen Kasten. Wie ist er denn? Annehmbar?»
    «Einer von diesen tüchtigen Industriekapitänen», erwiderte Lord Caterham und schüttelte sich leicht, «mit rotem Spießergesicht und grauem Haar. Das, was man eine starke Persönlichkeit nennt. Eine menschliche Dampfwalze, sozusagen.»
    «Ermüdend also?», fragte sie voll Mitgefühl.
    «Entsetzlich ermüdend, voll von niederschmetternden Tugenden wie Nüchternheit und Pünktlichkeit. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: starke Persönlichkeit oder eifrige Politiker. Ich ziehe nette unbedeutende Leute vor.»
    «Nette unbedeutende Leute wären aber nicht in der Lage gewesen, dir so eine Miete für das alte Mausoleum zu zahlen», erinnerte Bündel.
    Lord Caterham seufzte. «Ich wünschte, du hättest dieses Wort nicht benützt, Bündel. Wir waren gerade dabei, das Thema zu verlassen.»
    «Ich verstehe wirklich nicht, warum du so empfindlich bist», meinte Bündel. «Irgendwo müssen die Menschen ja sterben.»
    «Sie brauchen das aber nicht in meinem Haus zu tun», erwiderte Lord Caterham.
    «Warum nicht? Das haben schon viele hier getan: Heerscharen von steifen Großvätern und Großmüttern.»
    «Das ist etwas anderes! Natürlich gehe ich davon aus, dass Mitglieder der Familie hier sterben – das zählt nicht. Aber gegen Fremde habe ich etwas. Und Untersuchungen kann ich
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