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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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und wissen, wo man das Gesuchte findet. Sie können einem alles beschaffen, sofern sie Zeit und Lust dazu haben. Und sofern sie dich mögen.
    »Wissen Sie, ich sollte eigentlich meinen Vertrag unterschreiben.«
    Sie dreht den Lappen auf der Hand um und spritzt Putzmittel drauf.
    »Sie müssen sich um Riccardi kümmern, stimmt's?«
    »Andrea Riccardi, ja.«
    »Haben Sie ihn schon gesehen?«
    »Noch nicht. Morgen ist mein erster Tag.«
    »Morgen ist das Sekretariat geöffnet. Dann können Sie in Ruhe unterschreiben, nach dem Unterricht.« Sie schaut mich an. »Warum haben Sie es so eilig?«
    Ich verabschiede mich von ihr, weil ich mein Handy in der Handtasche vibrieren spüre unter tausend anderen Sachen. Das Lehrerzimmer ist leer, ich husche hinein und stelle die Tasche auf den Tisch, um besser darin kramen zu können.
    Es ist Anna.
    »Darf ich dich jetzt mit ›Frau Lehrerin‹ ansprechen?«
    »Es scheint so.«
    »Sehr gut. Und, worum geht es?«
    »Autismus. Borderline. Irgendsowas.«
    »O Gott. Eine Art Tommaso?«
    »Eine Art Psycho.«
    Sie lacht.
    »Glückwunsch.«
    »Danke. Und du?«
    »Bei mir nichts. Bei uns nichts.«
    »Wir haben ja erst Oktober.«
    »Richtig: Es gibt schließlich keinen Grund, das Schuljahr zu beginnen.«
    Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll, fühle mich irgendwie schuldig: Ich habe auf ein neunhundert Kilometer weit entferntes Pferd gesetzt und, wie es scheint, gewonnen. Zumindest dieses Jahr.
    »Wir lassen uns nicht entmutigen. Wie ist es dort?«
    »Nichts Besonderes. Es ist eine Schule, die sind überall gleich.«
    »Jetzt lügst du.«
    Wir denken beide an zerbrochene Fensterscheiben, kaputte Heizungen, Fotokopierer, die nicht funktionieren. Es gibt die öffentliche Schule. Und dann gibt es die öffentlichen Schulen.
    »Also?«
    Ich gehe im Zimmer umher und beschreibe es ihr: den Tisch, das Bücherregal voller Handbücher, griffbereit. Ich beanstande das Vorhandensein von Computer und Drucker: Es ist zu viel.
    Ich trete ans Fenster: »Aber der Himmel ist grau, wie wir vermutet hatten.«
    Unten im Schulhof, wo sich die Blätter auf dem Asphalt kräuseln, sehe ich eine Frau mit einem Jungen vorübergehen. Sie haben gerade das Schulgebäude verlassen und entfernen sich auf dem schmalen Weg zur Straße.
    Er ist groß, hat blonde Haare und zieht den Kopf zwischen den Schultern ein. Sie laufen nebeneinander her, dann bleibt er plötzlich stehen und verteilt Kopfstöße in die Luft. Sie wartet, bis er weitergeht, sein Körper schwankt hin und her, der Arm fährt auf und ab, als könne er sich vom Körper lösen und irgendwo fernab landen.
    »Es ist fast schon Winter«, sagt Anna. »Wirst du das überstehen?«
    Ich brauche einen Augenblick, doch dann antworte ich auf ihre Frage mit einem »Ja«.

2
    Der Fernseher läuft.
    Ich kriege gar nicht mit, was gesendet wird, nur, dass der Bildschirm von einem Licht beleuchtet wird, das kommt und geht und dann erlischt.
    Plötzlich habe ich eine Eingebung: Es ist ein Western. Ich weiß nicht, warum wir uns einen Western ansehen.
    Gianni hat die Beine auf den Couchtisch gelegt, die Augen auf John Waynes Sporen gerichtet. Ich versuche, mich an seine Schulter zu lehnen, versinke aber in den Polstern des Sofas und lande wieder auf meiner Seite. Er merkt es und legt den Arm um meine Schultern, zieht mich zu sich heran.
    Es ist das Klingeln des Telefons, das alles zerstört. Ich muss die Augen öffnen, das Licht einschalten. Dieses Zimmer gefällt mir nicht.
    »Hallo?«
    Einige Augenblicke vergehen, ehe sich Giannis Stimme einen Weg durch den Hörer bahnt:
    »Habe ich dich geweckt?«
 
    Es muss seltsam sein, mich um sechs Uhr morgens in der Küche anzutreffen, aber Margherita ist offenbar eine Person, die nichts überraschen kann.
    Selbst wenn nachts um halb zwölf eine Unbekannte anruft, die ein Zimmer sucht und ihre Anzeige im Internet gelesen hat, aber nicht weiß, ob sie es nehmen wird,ohne es vorher gesehen zu haben, obwohl sie es eigentlich sofort braucht, antwortet sie: »Komm einfach vorbei, es wird dir gefallen«, und legt dann auf.
    Und sie scheint sogar meinen Kaffee nicht zu verschmähen.
    »Erster Schultag?«
    »Ja, allerdings.«
 
    Dass das Zimmer in Ordnung war, las ich auf Massimilianos Gesicht, als er auf den Balkon trat. Er rief mir zu, das Auto zu parken und hochzukommen.
    »Massimiliano«, stellte er sich vor und lächelte etwas verlegen, während er ihr die Hand schüttelte.
    »Margherita«, erwiderte sie und sah mich an, wobei sie wohl
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