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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Giusi Marchetta
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unterstrichen, hervorgehoben werden kann. Dass alles erklärt werden kann, wenn man zwei oder drei fügsame Puppen hat, die liebend gern lernen möchten.
 
    Im Dunkeln geht die Belcari zu den Fenstern, zieht die Jalousien hoch. Beim ersten Ruck des Rollladens verwandelt sich die Bank in der Mitte des Zimmers in einen langen Tisch. Beim zweiten werden ein Computer und einige Metallschränke sichtbar. Der dritte Rollladen ist der letzte. Die Belcari dreht sich zu den Wänden um, als sei auch ihr das Zimmer neu.
    Überall hängen Kinderzeichnungen: gebückte Pinguine, Tiger mit krummen Streifen, ein rotes Walross mit langen, schiefen Stoßzähnen. Die Reihe der Tiere wird durch einen eindrucksvollen schwarzen Ninja mit violetter Schärpe unterbrochen. Ein Totenkopf mit lückenhaftem Gebiss. Ein Teufel mit lodernden Hörnern und bösen Augen.
    Wir setzen uns einander gegenüber an den Tisch. Ihr Ringordner quillt über von Blättern, Dokumenten, Grafiken, Stundenplänen. In dieser Schule ist sie unter anderem für Organisatorisches zuständig: Ihr obliegt es, Namen und Daten einzufügen und so das Getriebe der Tage bis Juni am Laufen zu halten. Für die Inklusionslehrer gibt es keinen genauen Stundenplan, er passt sich dem der Klasse oder den Erfordernissen der Krankheit an.
    »Riccardi ist ein sehr eigenartiger Junge«, beginnt sie.
    Die Falte auf ihrer Stirn entspannt sich etwas, aber nur für einen Moment, dann geht die Tür auf, und wir fahren beide zusammen, als hätte man uns bei einem geheimen Treffen ertappt.
    »Sind wir schon so weit gekommen?«
    Eine Frau betritt den Raum, schüttelt die knochigen Arme und den Kopf, der Mann hinter ihr vermag nicht, sie zu beruhigen. Sie rennt mich fast über den Haufen und steuert geradewegs auf die Belcari zu, um sich direkt vor ihr zu postieren.
    »Willst du warten, bis er mich umbringt, bevor du endlich was tust? Ist es das, worauf du wartest?«
    Der Mann will ihr eine Hand auf den Rücken legen, lässt es dann aber bleiben. Er zieht ein Tuch aus der Hosentasche und putzt sich die Brille.
    »Ich habe die Nase voll, verstehst du? So kann es nicht weitergehen. In die Klasse bringst du mich nicht mehr. Jetzt schreibe ich dem Direktor einen gesalzenen Brief.«Sie betrachtet einen Punkt im Leeren und sagt dann: »Es hat sich schon herumgesprochen, dass die Kollegin Miranda das Klassenzimmer nicht mehr betritt, weil sie Angst hat, angegriffen zu werden.«
    Die Belcari schaut sie an.
    »Bist du angegriffen worden?«
    Die Frau zieht eine verächtliche Grimasse.
    »Und das ist jetzt schon das zweite Mal.«
    Der Mann räuspert sich.
    »Vergessen wir Maria nicht. Wenn wir Maria mitzählen, ist es das dritte Mal.«
    »Er macht keinen Unterschied. Lehrerinnen, Hausmeister: Er schlägt nach allen.«
    Die Belcari wirft mir einen Blick zu, erhebt sich dann langsam.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Oben. Bei De Lucia.«
    »In Ordnung«, sagt die Belcari. Ihre Stimme klingt nun sanfter. »Möchtest du mir erzählen, was passiert ist?«
    Die andere zieht eine Grimasse.
    »Was immer passiert, Grazia. Sonst nichts.«
    So verharren sie, eine der anderen gegenüber, schweigend, wovon der Lehrer und ich ausgeschlossen sind. Er setzt seine Brille auf und blickt sich um. Als er den leeren Augenhöhlen des Totenschädels begegnet, wendet er das Gesicht ab.
    »Schön, ich gehe rauf und sehe nach, wie es läuft. Danach sprechen wir.«
    »Irgendwas wird man ja wohl tun müssen, oder?« Die leise Stimme des Kollegen klingt erstaunt über die eigene Einmischung.
    »De Lucia arbeitet daran. Man muss ihm Zeit geben«, sagt die Belcari.
    »Gewiss«, seufzt die Frau. »Wenn De Lucia daran arbeitet, können wir ja beruhigt sein.«
    Die Belcari geht nicht darauf ein, erinnert die beiden, dass ich auch noch da bin.
    »Übrigens, Giglio, Miranda, darf ich euch die neue Lehrerin für Riccardi vorstellen?«
    Die andere fixiert mich.
    »Glückwunsch.«
 
    Kaum hatte ich das Telefonat beendet, kam die Piazza Bellini wieder in Bewegung.
    Ich erschauerte, steckte mein Handy in die Tasche und drehte mich zu den Tischchen hinten im Café um. Alles war neu und flimmernd.
    Massimiliano verteilte Tabak auf seinem Zigarettenpapier.
    »Was ist los?«
    Ich betrachtete die Palazzi ringsum, rissig und vertraut, die Leute, die auf den Stufen um das Denkmal saßen, sich auf dem Bürgersteig davor trafen, sich in die Legionen einreihten und dort drinnen verschwanden.
    Ich habe nur drei Tage, um alles zu organisieren. Ich muss
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