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Der Lavagaenger

Titel: Der Lavagaenger
Autoren: Reinhard Stoeckel
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ich. Wiedergeboren. Als was? Offenbar als Mensch.
    Wir kennen seinen Namen: Henri Helder. So finden wir ihn also wieder nach seinem verunglückten Tauchgang auf der Verbotenen Insel: im weißbezogenen Bett eines Krankenhauses in Honolulu.
    Der Weg in die Höhle war einfach gewesen, vielleicht drei, höchstens fünf Meter zu tauchen, ein schmaler, hoher Spalt, der sich schräg aufwärtswand.
    Oben in der Höhle angekommen, sah Helder eine Unmenge Knochen und etliche kreuz und quer geworfene Götterfiguren. Dazwischen etwas, das der klägliche Rest von Hans Kaspars Phonographen sein musste, und eine Kiste. Sie war leicht ins Wasser zu ziehen. Ihr Auftrieb aber erschwerte das Tauchen.
    Endlich hatte er sie in den Gang bugsiert, der nach draußen führte. Dort hing die Kiste fest.
    Da muss es passiert sein: Durch das Ziehen und Rütteln Helders muss sich nicht nur die Kiste, sondern auch Gestein aus dem Felsen über seinem Kopf gelöst haben.
    So also war es gekommen. Helder war gestorben, tot für dreißig Tage. Und wiedergeboren. Aber war er ein anderer? Wir werden sehen.
    Keolas Sohn hatte den reglosen Körper schließlich aus der Höhle gezogen. Die Kiste auch.
    Also kein Sarg.
    Mo begann sich dafür zu entschuldigen, ihn in Lebensgefahr gebracht zu haben. Er hätte auf die Einwände Keolas und des Kahuna pfeifen und sich mit Mrs. Crusoe in Verbindung setzen sollen, um Profis nach der Kiste tauchen zu lassen. Doch immerhin könne er für sich geltend machen, dass eine ältere Dame ihn gebeten hätte …
    Lebensgefahr?, dachte Helder. Vielleicht war ich dem Tod näher, als ich meinte zu leben. Jetzt lag sein vergangenes Leben weit zurück. Aus der Ferne sah es aus wie ein fremdes. Als sitze – nun gut –, als läge er auf einem Hügel, blicke einen sich heraufschlängelnden Weg zurück und sähe irgendwo weit unten etwas liegen: Er wusste, es war ein Rucksack, groß und schwer. Sicher, er hatte ihn einmal getragen. Doch jetzt wunderte er sich nur, ihn so lange getragen zu haben. Jetzt lastete nichts mehr. Er war freiund spürte einen winzigen Moment des Glücks. Er spürte den Tag auf der Haut. Er sah die Gesichter Keolas und Mos, sah alles um sich her, so klar, als hätten sie eine zusätzliche Dimension. Jedes Wort, das an sein Ohr drang, hatte eine untergründige Melodie.
    Helder lächelte und nickte. Doch er unterließ es, Mo von seiner Wiedergeburt zu erzählen.
    Mo würde nur nachsichtig lächeln und sagen: Mein Freund, das ist doch alles Metaphysik. Die Schlange häutet sich vielmals und bleibt doch eine Schlange.
    Also gut, hängt ab heute also nur eine alte Haut im Kleiderschrank, ein Anzug namens Helder, eine Eisenbahneruniform vielleicht …
    Inzwischen redete Mo von einem alten Kartenspiel mit Eisenbahneruniformen und Lokomotiven.
    Helder horchte auf. Ja, natürlich kannte er das. So eines hatte ihm doch an den Stick- und Sticheltagen seiner Kindheit geholfen, die Langeweile zu vertreiben.
    Genau, sagte Mo, wie deinem Großvater und mir damals auf der
Dunera
.
    Eben dieses Spiel hatte Mo in seiner Jackentasche gehabt, da er Hans Kaspar das letzte Mal sah in jener Nacht im Pazifik, als die
Roosevelt
unterging. Lange hatte es unbeachtet und vergessen zwischen seinen Sachen geschlummert.
    Als ich später meinen Laden einrichtete, sagte Mo, fiel es mir wieder in die Hände. Oft genug hatte ich von Hans den Namen Krahnsdorf-Brandt gehört und die seiner Frauen, seiner Kinder. War es nicht eigentlich ihr Kartenspiel? Hatten die überhaupt von Hans Kaspars Tod erfahren? Oder, falls er überlebt hatte, wussten sie von seinem Verbleib?
    Ja, vielleicht war Hans längst zurückgekehrt nach Deutschland. So schrieb ich an Frau Brügg und schickte ihr das Kartenspiel.
    Die Antwort ließ sehr lange auf sich warten. Sie kam erst vor einigen Wochen. Eine Frau Stickenbacher, ja, Erdmuthe Stickenbacher, kündigte deinen Besuch an und bat mich, dir ein wenig behilflich zu sein auf der Suche nach deinem Großvater, der, wie sie sicher wisse, sich irgendwo auf den Lavafeldern Hawaiis aufhalte oder aufgehalten habe.
    Ich rief sie an und sagte: Madam, wie stellen Sie sich das vor, ich bin siebenundsiebzig!
    Sie antwortete: und ich, junger Mann, bald hundertsieben.
    Ich solle ja auch nicht über Vulkane kriechen, sondern mich nur ein bisschen um ihren Enkel kümmern. Nur von ihr sollte ich dir nichts sagen. Sie sei so froh, dass du dich endlich auf den Weg gemacht hättest. Es wäre doch sonst sehr schade gewesen um dich. Nun
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