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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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Lektorin, es drängten einfach zu viele neue Autoren auf den Markt. Beim letzten Roman hatte er dreitausend Euro erhalten, jetzt sollten fünfhundert abgezogen werden. Trotz erbitterter Gegenwehr blieb ihm am Ende nichts anderes übrig, als zu akzeptieren.
    Ein knallhartes Geschäft. Wenn der neue Roman nicht bessere Verkaufszahlen erreichte als die anderen, war es das gewesen. Dann konnte er sich einen neuen Verlag suchen, Klinken putzen. Doch so weit war es noch nicht.
    Christian warf einen letzten Blick auf die sieben neuen Seiten, die er am gestrigen Tag in den Computer getippt hatte. So recht zufrieden war er damit nicht. Noch fehlte die Idee, wie es danach weitergehen sollte. Jetzt unterbrach er erst einmal die Arbeit – vielleicht flog ihm in den nächsten Stunden ein Geistesblitz zu.
    Es war immer gut, die Arbeit ruhen zu lassen, wenn man mit der Story in eine Sackgasse geriet. Ein Break. Eine kurze schöpferische Pause. Er hatte ohnehin einige Einkäufe zu erledigen. Seit gestern gähnte ihn ein nahezu komplett leerer Kühlschrank an. Vor dem Gang zum Supermarkt und dem sich anschließenden Mittagessen wollte er noch rasch auf seine Bank. Möglicherweise war sein Konto mal wieder überzogen, doch als langjähriger Kunde verfügte er über einen kleinen Überziehungskredit.
    Hoffentlich saß heute Bernadette Gaspard am Kassenschalter! Sie hatte die Gabe, jedem Bankkunden das Gefühl zu geben, dass sie nur für ihn da sei. Christian flirtete gern mit ihr. Der kurze Augenblick am Schalter, ihr strahlendes Lächeln und ihre ausgesprochen sexy Erscheinung konnten ihm den ganzen Tag versüßen. Einmal hatte er sie privat angesprochen und zum Abendessen eingeladen. Sie hatte gelacht und ihn mit dem Hinweis auf ihre ausgesprochen glückliche Ehe charmant abblitzen lassen. Schade. Die tollsten Frauen waren immer schon vergeben.
    Viertel vor zwölf verließ er seine Wohnung. Knapp zehn Minuten später erreichte er die Bank, gerade noch rechtzeitig, bevor die ihren Laden über Mittag dichtmachten.

3. KAPITEL
    Guy Thinot war der Besitzer des Blumenladens in der Rue des Citeaux, nur wenige Schritte von der LCL entfernt. Die Bank diente bereits als Hausbank seines Vaters, von dem Guy vor fünfzehn Jahren das Blumengeschäft übernommen hatte. Damals war der Laden noch klein und hätte die Familie nicht ernähren können, wenn Guys Mutter nicht als Sachbearbeiterin in der Verwaltung des Hôpital Saint Antoine dazuverdient hätte.
    Millefleur war zwar kein besonders origineller Name für einen Blumenladen, doch das Geschäft war fest im Viertel etabliert und hatte seine Stammkundschaft. Von der allein konnte man natürlich nicht leben, und so hatte Guy sich vor einigen Jahren darum bemüht, in ausgesuchten Restaurants die täglichen Blumenarrangements zu liefern. Inzwischen gehörten Lokale wie das berühmte Train bleu in der Gare de Lyon zu seinen Kunden. Auch einige ausländische Botschaften belieferte er anlässlich von Empfängen und festlichen Abendessen. Irgendwann würde er es bis in den Elyséepalast schaffen, davon war er überzeugt. Die Präsidentengattin legte Wert auf ausgefallene Tischdekorationen. Jetzt galt es nur, sich dort ein Entree zu verschaffen und dann die Konkurrenz mit raffinierten Ideen und einem Dumpingangebot auszuschalten. Guy Thinot besaß einen gesunden Geschäftssinn und wusste genau, wann man mit den Preisen heruntergehen musste, um neue Kunden zu gewinnen. Kurzum: Sein Geschäft florierte, und Guys einzige Sorge bestand darin, dass sein Sohn Serge den Laden eines Tages nicht übernehmen würde, weil er Schiffsbauingenieur werden wollte. Guy und seine Frau Betty, die im Laden mithalf und sich um die Buchhaltung kümmerte, hatten sich mit den Plänen ihres einzigen Sprösslings abgefunden. Bettys Großmutter stammte aus einer Fischerfamilie in der Bretagne, und daraus erklärte sich vielleicht Serges Sehnsucht nach Schiffen und Meeresluft.
    Guy arrangierte den Strauß bunter südamerikanischer Rosen, die sein Großhändler am Morgen geliefert hatte. Frische Ware, langstielig, die Köpfe ganz dick und herrliche Farben. Er stellte den Kübel ins Fenster, füllte noch etwas Wasser nach und ging am Tresen vorbei ins Büro. Betty saß am Computer und checkte die Mails.
    »Hat sich das Hôtel Raffaël schon gemeldet?«
    Betty schüttelte den Kopf.
    »Bisher noch nicht.«
    »Herrgott, wie lange brauchen die denn, bis sie sich entscheiden? Ich habe denen ein Superangebot gemacht! So einen Preis
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