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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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wieder nach unten gedrückt. »Das war Luc! Luc hat sie umgebracht. Die ganze Sache war Lucs Idee!«
    Unmerklich nickte LaBréa. Wie nicht anders zu erwarten, schob Freddy Ruiz den Mord an Anne auf seinen Komplizen. Der war nun tot und konnte sich nicht mehr dazu äußern. Wer auch immer damals in der Praxis die tödlichen Messerstiche ausgeführt hatte, spielte jedoch keine Rolle. Freddy Ruiz war durch den DNA-Nachweis überführt, sich dort aufgehalten zu haben. LaBréa würde alles daransetzen, dass er auch wegen des Mordes an Anne LaBréa angeklagt und verurteilt werden würde.
    Der lange Schatten … Wie eine Laune des Schicksals hatte er sich seit Annes gewaltsamem Tod über LaBréa gelegt, ohne dass er es ahnte. Vergeblich hatte die Marseiller Polizei nach dem Mord an Anne die Täter gesucht. Nun, nach einem Jahr, war LaBréa der Mörder seiner Frau durch eine seltsame Verkettung von Zufällen in die Hände gespielt worden. Er verspürte keine Genugtuung, nicht einmal Erleichterung, obschon doch alles vorbei und Céline gerettet war. Nur ein Gefühl großer Leere und Erschöpfung.
    Wenig später brach LaBréa das Verhör mit dem vierfachen Mörder ab. Seine Entzugserscheinungen waren so stark, dass eine weitere Vernehmung zum jetzigen Zeitpunkt sinnlos erschien. Die Beweislage war ohnehin erdrückend.
    Am Mittag fuhr LaBréa zu Céline ins Krankenhaus. Es war ein milder, schöner Oktobertag. Bevor er das Hôpital betrat, blickte LaBréa zum Himmel auf und konnte plötzlich leichter atmen. Mit den Sonnenstrahlen, die die Stadt in ein warmes Licht hüllten, kehrten bei LaBréa Kraft und Hoffnung zurück. In sechs Monaten würde Céline ihr Kind zur Welt bringen. Und es gab nichts, was die Freude darüber trüben sollte.

EPILOG
    Zwei Monate später begann der Prozess gegen Freddy Ruiz, der im Januar des darauffolgenden Jahres zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Das Verfahren um den Mord von Anne LaBréa wurde von der Hauptverhandlung abgetrennt und nach Marseille verlegt. Dort erwartete Ruiz ein zweiter Prozess.
    Céline erholte sich rasch von ihren körperlichen Verletzungen. Die Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse während der Geiselhaft ging langsamer voran. Sie befand sich in entsprechender Therapie bei einer Traumaspezialistin, die die Profilerin Véronique Andrieu ihr vermittelt hatte.
    Die Schwangerschaft verlief weiterhin normal, und LaBréa hoffte, dass die Geburt des Kindes Célines seelischen Zustand weiter stabilisieren würde.
    Zu Weihnachten fand die Hochzeit in Célines Heimatort Nuits Saint Georges statt. Céline behielt ihren Mädchennamen Charpentier, während das Baby den Namen LaBréa tragen sollte.
    Die Geiseln aus der Bank verarbeiteten das Geschehen auf unterschiedliche Weise. Der Bankangestellte Leonardo Nadal kündigte seinen Job und übersiedelte in seine Heimatstadt Strasbourg. Unfähig, wieder in seinem alten Beruf tätig zu werden, schlug er sich zunächst mit Gelegenheitsarbeiten durch, bevor er in eine tiefe Depression fiel. Nach einem missglückten Selbstmordversuch verklagte er die LCL-Bank auf Schadenersatz. In einem Vergleich mit der Konzernspitze erhielt er fünfzigtausend Euro Schmerzensgeld.
    Als Marguerite Brancard nach Hause zurückkehrte, befand sich ihre Mutter in einem jämmerlichen Zustand. Zu schwach, um ihrer Tochter die üblichen Vorwürfe an den Kopf zu schleudern, lag sie weinend und völlig aufgelöst im Bett. Dennoch blieb Marguerite ihrem Vorsatz treu und erkundigte sich nach einem Pflegeheim. Zwei Wochen später stand ein Heimplatz für die Mutter zur Verfügung. Marguerite kündigte die Wohnung und erfüllte sich als Erstes den lang gehegten Traum einer Reise ans Meer, wo ihr neues Leben begann.
    Der Krimiautor Christian Chatel begann mit viel Elan seinen Roman über die Geiselnahme in einer Pariser Bank und beendete das Manuskript in kurzer Zeit. Doch sein Verlag zeigte wieder einmal wenig Begeisterung für das Werk. Die Geschichte der Geiselnahme war in der Zwischenzeit in allen Zeitungen und in Fernsehsendungen ausführlich behandelt worden. Das Thema erschien nicht mehr aktuell. Der Roman wurde nur in einer kleinen Auflage gedruckt, zum üblichen Vorschusshonorar. Ein Publikumserfolg wurde das Buch nicht.
    Nach dem Tod ihres Mannes Guy Thinot führte seine Witwe das Blumengeschäft Millefleur zunächst allein weiter. Einige Zeit später verkaufte sie den Laden und zog zu ihrem Sohn Serge
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