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Der lange Schatten

Titel: Der lange Schatten
Autoren: Alexandra von Grote
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des Raumes stand eine Videokamera auf einem Stativ. Ein Kabel führte zum Tisch und war mit einem Mikrofon verbunden.
    Sobald seine Hände von der Plastikfessel befreit waren, schlug der Geiselnehmer mit der Faust auf den Tisch.
    »Ohne Anwalt sag ich kein Wort!« LaBréa fiel auf, dass der Mann schwitzte und gehetzt um sich blickte.
    Er antwortete nicht. Mikrofon und Kamera waren eingeschaltet, und LaBréa begann mit dem üblichen Procedere.
    »Vernehmung von Freddy Ruiz am 14. Oktober, acht Uhr fünfzehn. Sie wissen, warum Sie hier sind, Monsieur Ruiz?«
    Der Mann schwieg, trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte und starrte zur Decke. LaBréa wartete einige Sekunden und fuhr dann fort: »Sie werden beschuldigt, am gestrigen Tag, dem 13. Oktober, folgende schwere Straftaten begangen zu haben. Erstens: In den frühen Morgenstunden haben Sie einen Mann namens Luc Chambon in dessen Wohnung in der Rue Massillon erschossen. Zweitens: Um Punkt zwölf Uhr Mittag haben Sie die LCL-Bank am Boulevard Diderot überfallen, zwei Bankangestellte getötet, dreitausendvierhundert Euro erbeutet und eine Bankkundin als Geisel genommen. Mit dieser Geisel sind Sie unter Benutzung zweier Autos geflüchtet, haben sie auf dem Gelände einer Baufirma in einem alten Bauwagen gefangen gehalten, sie gequält und durch ausströmendes Gas zu töten versucht. Drittens: Im Oktober vergangenen Jahres haben Sie in Marseille eine Frau namens Anne LaBréa ausgeraubt und ermordet. Ihre DNA wurde am Tatort sichergestellt. Sie ist identisch mit der DNA am Tatort Rue Massillon und mit der in der Maske, die Sie in der Bank getragen haben. Sie brauchen also nicht zu leugnen.«
    Freddy Ruiz hatte die Anklagepunkte eins und zwei ungerührt zur Kenntnis genommen. Als LaBréa den Mord in Marseille erwähnte, kam Bewegung in sein Mienenspiel. Höhnisch verzog er seinen Mund. »Wenn Sie die Schlampe in der Arztpraxis meinen – das war doch Ihre Frau, oder?«
    LaBréa sah aus dem Augenwinkel, wie Franck ihm einen kurzen Blick zuwarf, offenbar in der Hoffnung, dass er sich durch diese Worte nicht provozieren ließ. Obwohl die Bemerkung von Freddy Ruiz eine Welle von Wut in LaBréa auslöste, beherrschte er sich.
    »Und deshalb dürfen Sie mich überhaupt nicht befragen.« Ruiz’ Stimme klang triumphierend. »Weil Sie befangen sind, das wissen Sie doch selbst!«
    »Also geben Sie den Mord an Anne LaBréa zu?«, fragte Franck rasch.
    »Gar nichts gebe ich zu!«, schrie Freddy Ruiz mit sich überschlagender Stimme. Ein plötzliches Zucken durchfuhr seinen Körper. Seine Hände begannen zu zittern, sein Blick wurde glasig und irrte erneut wild durch den Raum.
    »Ich brauch Nachschub, verdammt nochmal! Gebt mir was! Der Doktor hat gesagt, ich krieg was, wenn ich’s brauche. Und jetzt brauch ich’s!«
    »Wenn wir hier fertig sind«, erwiderte LaBréa ungerührt. »Crystal steht nicht auf unserer Menükarte.«
    Freddy Ruiz stieß einen Schrei aus und sprang auf. Sofort waren Franck und die beiden Polizisten bei ihm und zwangen ihn auf den Stuhl zurück.
    »Mach keinen Ärger«, knurrte Franck. »Sonst leg ich dir die Handschellen wieder an. Je schneller du alles ausspuckst, desto eher sind wir hier fertig.«
    Schwer atmend sackte der Mann in sich zusammen.
    »Kommen wir zurück auf den Mord in Marseille«, fuhr LaBréa fort. »Durch die Auswertung des Tatortes wissen wir, dass seinerzeit zwei Täter in der Arztpraxis waren. Sie – und noch jemand. Wer war das?«
    Freddy Ruiz antwortete nicht. Immer stärker zitterten seine Hände, er schien nur noch ein Häufchen Elend.
    LaBréa musterte ihn. Als er letzte Nacht von Gilles erfahren hatte, dass die DNA des Geiselnehmers in der Wohnung von Luc Cambon gefunden worden war, hatte er sich gefragt, was diese beiden Männer verband? Später, als der Abgleich mit der DNA aus Annes Praxis vorlag, war es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. Natürlich! Die Antwort lag auf der Hand, und sie war ganz einfach.
    »Ich will Ihnen sagen, wer noch mit dabei war, wer Ihr Komplize war: Luc Chambon. Der Mann, den Sie heute Morgen erschossen haben.« LaBréa ließ seine Worte nachwirken, doch Freddy Ruiz reagierte nicht. Seine Stirn glänzte schweißnass, und nur mit Mühe hielt er sich auf dem Stuhl.
    Franck schaltete sich ein. »Weshalb hast du ihn umgebracht? Hat er dich erpresst, weil du die Ärztin ermordet hast?«
    »Ich hab sie nicht ermordet!«, schrie der Geiselnehmer, sprang erneut auf und wurde unsanft von Franck
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