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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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herausgehoben ist. Und sei es nur durch einen Glasrahmen für fünf Euro aus dem Supermarkt.
    Natürlich gibt es Verlage und Konzerne, die ihr Geld mit Büchern, sogar literarischen Büchern, verdienen. Natürlich gibt es Tonträgerproduzenten, die Filmindustrie, Musikagenturen, Künstler mit einem Interesse, reich zu werden. Die Berührung mit künstlerischen Motiven nimmt nicht alle kommerziellen Bezüge aus einem sozialen Vorgang. Aber künstlerisches Arbeiten hat in seinem Kern nicht ein kommerzielles Motiv, sondern ein künstlerisches. Der Unterschied besteht immerhin. Aber Kultur hat mit Wirtschaften zu tun. Und deswegen ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern gehört zu einem vollständigen Bild kultureller Realitäten, Kunst und Kultur auch in wirtschaftlichen Kategorien zu reflektieren. Geld zu verdienen mit Kunst ist nicht gegen Kunst gerichtet.
    Meritorische Kulturförderung verzerrt die Märkte
    Die staatliche Zuteilung von Geld an die Kultur betrifft meist meritorische Güter, manchmal schafft sie sie erst. Im markanten Unterschied zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen existieren meritorische wie »normale« Wirtschaftsgüter auf dem Markt von Angebot und Nachfrage – sie sind nutzerorientiert, suchen sich ihr Publikum, ihre Kunden, sie konkurrieren womöglich mit Gütern und Leistungen privater Anbieter.
    Um welche Güter oder Dienstleistungen handelt es sich? Dies liegt keineswegs fest, sondern ergibt sich aus mehr oder weniger geordneten, mehr oder weniger klugen politischen Diskussionen. Man denke etwa an die Debatte über das Gesundheitssystem in den USA , an die Hotelmehrwertsteuer in FDP -Deutschland oder die Abwrackprämie für PKW s. Ein meritorisches Gut war über Jahrzehnte die Bildung von Hauseigentum, es wurde entsprechend mit einer »Eigenheimzulage« oder dem Bausparen gefördert. Oder die Kilometerpauschale zur Fahrt zum Arbeitsplatz – der Gesetzgeber wünscht sich, dass Arbeitnehmer mobil sind: je weiter die Anreise, desto größer die öffentliche Förderung. Eine Flächenzersiedelungsprämie mit ökologischer Kontraindikation. Die Leistungen der Bahn sind in Deutschland Wirtschaftsgut, sie werden aber bei den allfälligen Krisen wie ein meritorisches Gut verhandelt, das gemeinschaftlichen Schutz verdient. Bei der Post muss die Gesellschaft sich über die Anzahl und Erreichbarkeit von Briefkästen verständigen, um dann ein privatwirtschaftliches Unternehmen für deren Leerung zu zahlen. Dies mag genügen, um darzulegen, dass nicht nur die Kultur Probleme hat, meritorische Güter zu definieren.
    Der Staat hat verschiedene Möglichkeiten, Produktion und Konsumtion meritorischer Güter zu fördern. In Teilbereichen der Bildung tut er es mittels Zwang, nämlich der Schulpflicht. Er kann es auch nur durch Information, Steuerung der Information, Inwertsetzung oder Inszenierung versuchen (kein Staatsempfang ohne kulturelle Hintergrundmusik). Er kann Marktparameter beeinflussen. Er kann mit Direkthilfen zusätzliche Angebote schaffen – zum Beispiel zum Einbau eines Katalysators bei PKW s. Preise können mithilfe von Subventionen gesenkt werden. Die öffentlichen Hände tragen rund 85 Prozent der Kosten öffentlicher Theaterbetriebe. Wenn diese beim Verkauf der Eintrittskarten erlöst werden müssten, würden mit Sicherheit weniger Theaterkarten verkauft. Nicht jeder würde 130 Euro für einen Platz im Stadttheater oder 250 Euro für einen in der Oper bezahlen wollen. Boulevardtheatern, Musicals und Kabaretts auf der anderen Seite gelingt es, mit ihren Eintrittsgeldern auszukommen. Der verminderte Mehrwertsteuersatz auf Bücher führt in Deutschland zu zehn Prozent niedrigeren Buchpreisen als ohne, in Österreich ist die Subvention des Buchmarkts mit einem zehnprozentigen Steuersatz (gegen 20 Prozent Normalsatz) etwas kleiner. Auch die Schweiz kennt ein solches Modell, wenn auch mit insgesamt niedrigeren Steuersätzen. Umgekehrt garantiert die Buchpreisbindung in Deutschland und Österreich höhere Margen und vermindert den Konzentrationsdruck im Handel. In der Schweiz gibt es sie seit 2007 nicht mehr, ohne dass der Buchhandel deswegen zusammengebrochen wäre. Zusätzlich können Verlage auch direkt staatlich gefördert werden, das ist eher eine österreichische und in Teilen schweizerische Praxis. Mit den Fördermaßnahmen, so hoffen die Gesetzgeber, werden Bücher günstiger und deshalb häufiger gekauft. Viel Sarrazin, noch mehr Lehrbücher für Yoga, vielleicht
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