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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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Internet, um direkt zu ihren Fans und Konsumenten zu gelangen, und sie nutzen es fürs Management und die Planung. Ähnliche Prozesse stehen uns in der Literatur und im Film bevor, auch wenn hier die Widerstände größer sind und urheberrechtliche Barrieren errichtet werden. Doch dass Filme bald übers Netz ins Kino gelangen werden, steht außer Zweifel, so wie sie bereits zu uns nach Hause gelangen und das Ende der Videotheken besiegelt ist. Dass die universale Mediathek sich im Netz befindet und nicht in der Quartierbibliothek und auch nicht mehr im Museum, ist genauso sicher.
    Öffentlicher Handlungsbedarf entsteht daraus keiner. Nur das Urheberrecht muss à jour gehalten werden. Bleibt die Erleichterung, dass ein Rückbau des institutionellen Sektors nicht weniger Zugänglichkeit mit sich bringt. Im Gegenteil, Computer stehen in 90 Prozent der Haushalte. Und die fehlenden 10 Prozent sind in der Regel nicht die ärmsten, sondern solche, die sich bewusst den »Auswüchsen der Moderne« verweigern.
    Aus kulturpolitischer Sicht drängt sich die Frage auf, wie sich das Internet und die digitale Form aller möglichen künstlerischen Äußerungen besser nutzen lassen. Dass der Staat die Museen dabei unterstützt, ins Netz zu gehen, ist geradezu naturgegeben. Der Zugang zu Kunst wäre dort ein anderer, weniger ehrfurchtsgeprägt, und vor allem auch aus Hintertupfingen möglich. Die Erweiterungsflügel aller gegenwärtigen Museen brauchen nur noch virtuell gebaut zu werden.
    Was der Staat im Zuge der kulturellen Bildung auch noch tun könnte: Jedem Kind einen Tablet-Computer (oder was immer uns die technische Entwicklung bringt) schenken. Das wäre die Steigerung von »Jedem Kind ein Instrument«. Denn das Tablet ist auch ein Instrument, man kann darauf Musik spielen, sogar komponieren. Es ist zudem eine Schreibmaschine, ein Buch, ein Kino, ein Videoschnittplatz, ein CD -Spieler, eine Gamekonsole, eine Kommunikationsplattform. Das Gerät ist das bisher universellste Werkzeug für Konsum und ästhetische Produktion auf Amateurniveau, und es wird Produkte geben, welche die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten dieser Maschinen übertreffen. Das kann der Computer alles auch? Stimmt nicht. Der Computer ist ein Produktionswerkzeug, kein Medium wie ein Tablet. Und: Letzteres ist persönlicher, kleiner, mobiler. Man hat es dabei, der Computer steht zu Hause. Vor allem aber lässt sich ein Tablet viel einfacher konfigurieren, es lassen sich Anwendungsroutinen für kulturelle Zwecke entwickeln, pädagogische Absichten implementieren. Und es ist viel sozialer als der Computer: Man kann sich zu fünft mit den Tablets zusammensetzen und gemeinsam aktiv sein.
    Jedem Kind ein Tablet würde die Schwäche von »Jedem Kind ein Instrument« ausmerzen: die Begrenzung auf eine einzige Dimension, die Musik, und der nicht durchdachte Bezug zu Schule und ihrem Stundenplan. Es wäre kostengünstiger und würde die Faszination für neue Medien als Treiber nutzen. Es ist kinderleicht in jeden Unterricht zu integrieren, da es auf einfachste Weise mit Applikationen zu ergänzen ist. Nach Papier und Bleistift ist der Tablet-Computer wohl das universellste Instrument. Natürlich fehlen ihm haptische Komponenten, er fühlt sich nicht wie Papier an und auch nicht wie Cello-Holz, ein Gemälde erscheint darauf nicht wie das Original, dafür vielleicht in hoher Auflösung, viel detailreicher, als ich es im Museum sehen kann und darf. Diese Mängel wiegen die Vorteile lange nicht auf.

Der subsidiäre Schluss
    »Was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, (darf) ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden … (solches verstößt) gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.«
    Mit diesen Zeilen aus der Sozialenzyklika »Quadragesimo anno« vom 15. 5. 1931 von Pius XI . geht dieses Buch zu Ende. Sie hinterlegen den schlichten Satz »Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott« mit einem 80 Jahre alten Text und erläutern den Begriff der Subsidiarität, immerhin eines der tragenden
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