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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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Konkurrenz um Werbeeinnahmen und um Publikum ist auch hier in vollem Gange.
    Eine ordnungspolitische Diskussion zum öffentlichen Fernsehen, zum gewünschten Umfang der Angebote, zu den erwarteten Qualitätsunterschieden gibt es nur selten und nur in Ansätzen. Sie muss dringend geführt werden.
    Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk gilt als sehr staatsnah. Auch er ist gebührenfinanziert, erzielt Werbeeinnahmen und ist vom wirtschaftlichen Gewicht um Dimensionen größer als privater Rundfunk im Land. Dass es auch anders geht, zeigt beispielsweise Frankreich: Hier gibt es einen werbefreien öffentlichen Rundfunk für die Gebühren, der Privatrundfunk finanziert sich aus Werbung. Diese Dimension von Konkurrenz fällt weg. In der Schweiz hat die Expansion des öffentlichen Rundfunks ins Internet, dies war bisher Domäne der Printmedien, eine Diskussion um eine neue Konzeption von öffentlichem Rundfunk ausgelöst. Eine interessante Option ist, dass der öffentliche Rundfunk Inhalte bereitstellt, die er den privaten Sendern kostenfrei abgibt, allenfalls mit Auflagen zum Sendeplatz, zum Verzicht auf Werbeunterbrechungen oder Ähnliches. Es führte zu einer Rollenteilung, die öffentliche und private Interessen gegeneinander gewichtet – Unterhaltung und Sport würden privat finanziert, Information, Kultur, Bildung öffentlich, aber beides würde über dieselben Kanäle verbreitet.
    Ob eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf diesem Weg möglich ist, ist mehr als fraglich. Längst hat er eine Größe und Reichweite, ein kommunikatives Eigengewicht und einen Anteil an der öffentlichen Meinungsbildung, dass Vorschläge zum Herunterskalieren erheblichen Gegendruck auslösen würden.
    Soziokultur: Förderung der Laienkultur vor Ort
    Soziokultur im Westen Deutschlands war ein Kind der Protestkultur und von »Kultur für alle«. Ähnliches gilt für die Schweiz. In der kulturpolitischen Diskussion galt sie als eine Erweiterung des Kultursystems, als die Auffahrt in die Hochkultur. Allerdings kam es nicht zu einem Zusammengehen, Soziokultur wurde stattdessen von den großkulturellen Institutionen ausgegrenzt, ins Ghetto von Jugendkultur und minderen Formen der Kulturausübung verfrachtet. Im Osten Deutschlands dagegen war Soziokultur ein staatliches Anliegen, manifestierte sich in einem flächendeckenden Netz von Kulturhäusern. Interessant ist die Lage der Soziokultur in Österreich. Recherchiert man auf der Homepage des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur den Begriff Soziokultur, so landet man bei der Rubrik »Soziale Förderung für Künstler«, vergleichbar der Künstlersozialkasse in Deutschland. Zum Stichwort Soziokultur heißt es dort ferner recht bezeichnend: »Ursprünglich mit überwiegend soziokulturellen Zielsetzungen angetreten, haben sich die Kulturinitiativen zum Großteil zu regionalen Veranstaltungsagenturen mit breiter Angebotspalette gewandelt.«
    Mit dem Anspruch auf öffentliche Förderung kam die Soziokultur im Westen Deutschlands spät und traf auf eine geschlossene Struktur institutionell geförderter Kultureinrichtungen. Trotzdem gelang ihr in einem langwierigen Prozess, fast überall Einrichtungen zu ertrotzen und deren dauerhafte öffentliche Finanzierung sicherzustellen. Diese Finanzierung ist mancherorts an die Tarife des kommunalen öffentlichen Dienstes angenähert, andernorts liegt sie weitaus darunter. Immerhin, die Soziokultur der achtziger Jahre war die letzte substanzielle Erweiterung der kulturellen Infrastruktur. Initiativen, die danach mit Förderanspruch an die öffentlichen Hände auftraten, wurden an die Soziokultur verwiesen, sollten sich dort eingliedern. Inzwischen zeigt sich mancherorts, dass Soziokultur ein Generationsanliegen ist, sie altert mit den Mitarbeitern und den Kunden. Aber das gilt nicht überall, andere Einrichtungen erscheinen verjüngt, offen, flexibel. In einer ordnungspolitisch sensibel gestalteten Förderlandschaft wird Soziokultur ihren Platz finden, wenn sie ihre eigene Verjüngung schafft. Problematischer ist ihre Unterfinanzierung an einigen Orten, soweit sie ein öffentliches Mandat hat.
    Auch Soziokultur hat mit einer veränderten Nachfrage und mit veränderten Konsummustern zu tun. An manchen Orten hat sie sich einen Teil der kulturellen Bildung erobert, an anderen ging sie einen Weg in Richtung Jugendarbeit und Sozialarbeit, an wieder anderen bewegte sie sich immer tiefer in kommerzielle kulturelle Angebote hinein.
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