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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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Prinzipien der Europäischen Gemeinschaft. Subsidiarität ist ein Konzept, das über innerföderale Aufgabenzuweisung hinausgeht; sie ist der technische Ausdruck dafür, dass es keine übergreifenden Systeme geben kann, nur Regeln, in denen die Menschen, frei und ihrer selbst mächtig, sich entfalten. Diese Entfaltung steht jedem in gleichem Maße zu. Dieser Grundsatz gehört in jede zeitgemäße Kulturpolitik.
    Dass das Prinzip der Subsidiarität seinen Ursprung im Calvinismus hat, sich auf Aristoteles beruft und so in einer definierten Bildungs- und Glaubensdimension Europas steht, sei am Rande erwähnt. Sicher ist, dass Maß und Umsetzung der Subsidiarität regelmäßig neu verhandelt werden müssen. Subsidiarität kann Bevormundung oder Unterstützung des Einzelnen oder der Gruppe durch das Kollektiv bedeuten, sie kann beengende Dominanz des Staates über Wirtschaft und Zivilgesellschaft bedeuten oder die zurückhaltende Schaffung von Strukturen und Regelwerken, in denen privates Engagement und Interesse sich entfalten. Dieses Buch ist ein Beitrag zu dieser laufenden Neujustierung. Es will die Position des Individuums stärken, das geht nur zulasten der Institutionen. Es will die Beziehungen fördern, das geht nur zulasten der Strukturen. Es will Veränderungen, die ohnehin kommen, und Politik, die diese auffangen und menschlich gestalten kann.
    Dass jeder Mensch ein Künstler sei, ist eine – dem vermutlich falsch verstandenen Joseph Beuys geschuldete – oft zitierte Begründung dafür, mit Steuermitteln möglichst alles, was irgendwie Kultur genannt werden kann, zu fördern. Da dies weder operativ noch monetär umsetzbar und auch nicht wünschbar ist, tritt der Fördergestus an die Stelle: Wenn wir schon nicht alles fördern können, dann wenigstens das, was es schwer hat. Und schwer hat es das, was wir fördern wollen. Der Kreis schließt sich, Nachdenken über die Anwendung von Subsidiarität hat dann keinen Platz mehr, an ihre Stelle ist die Errichtung eines steuerfinanzierten Altars getreten für das, was sich heutzutage »Kulturprojekt« nennt.
    Subsidiarität im obigen Sinne müsste jedoch bedeuten, Geschmack und ästhetische Hervorbringung von Individuen von jeder Förderung durch das Kollektiv freizuhalten, die Voraussetzungen für die Entstehung solcher Produktion dafür jedoch umso ernsthafter in den Blick zu nehmen. Denn der Einzelne ist nicht voraussetzungslos in der Lage, ohne Unterstützung oder Hilfe (»subsidium«) des Kollektivs, dem er angehört, eine Gruppenidentität zu entwickeln und das Maß der Verständigung darüber zu sichern. Mehr ist nicht nötig – weniger wäre schlecht.
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